Wenn Frauen beschlossen haben, ihre Heimat zu verlassen, dann brechen sie auch wirklich auf, meint die Obfrau des Vereins "Exit", Regisseurin und Autorin Joana Adesuwa Reiterer.
Foto: Helene Trauner
Die Autorin und Regisseurin mit einem Teil ihres Teams von "Traum vom Paradies. Zwei Frauen. Zwei Welten. Ein Traum".
Foto: Helene Trauner
Eine große Kompanie mit Live-MusikerInnen spielt ab heute das Theaterstück "Traum vom Paradies. Zwei Frauen. Zwei Welten. Ein Traum". Autorin und Regisseurin Joana Adesuwa Reiterer erklärt ihre Vorstellungen von Abenteuer und Heimat.


dieStandard.at: In deinem Theaterstück "Traum vom Paradies" wünscht sich eine afrikanische Frau nach Europa und eine europäische nach Afrika. Warum gerade zwei Frauen? Träumen Frauen mehr als Männer?
Joana Adesuwa Reiterer: In meiner künstlerischen und politischen Arbeit beziehe ich mich mehr auf die Frauenebene, weil ich aufklären will. Frauen bewegen sich oft wegen Entscheidungen der Familie oder der Gesellschaft zu schnell in eine andere Richtung, als in die sie ursprünglich selbst gehen wollten. Für mich ist es immer mehr Drama, wenn eine Frau aufbricht. Frauen überlegen, bevor sie weg gehen, zu viel: Was wird passieren, was wird meine Familie sagen... Das Drama entsteht schon vorher. Wenn Frauen dann endlich beschlossen haben, wegzugehen, dann brechen sie aber auch wirklich auf.

dieStandard.at: In bezug auf Flüchtlinge erreichen aber nur wenige Afrikanerinnen Europa, die meisten bleiben bereits in den Durchreise-Ländern hängen. Wieso kommen nur wenige Frauen nach Europa – egal ob Migrantinnen oder Flüchtlinge, Künstlerinnen oder Studentinnen?
Adesuwa Reiterer: Viele Frauen haben Angst vor Abenteuern. In Teilen von Afrika ist es so, wenn eine Frau erwachsen wird, soll sie heiraten, Kinder haben und nicht andere Welten sehen. Man sagt, dass Frauen die Zeit davon läuft. Bei Männern sagt man, geh' und entdecke die Welt, heiraten kannst du immer noch. Meistens tragen auch die Frauen die Verantwortung für Kinder oder alte Leute und es ist nicht einmal die Rede davon, irgendwohin anders zu kommen. Weil man schon als Mädchen damit konfrontiert wird Verantwortung zu tragen. Im Kriegsfall flüchten aber alle.

dieStandard.at: Wo ist das Paradies? Ist die Konsequenz von deinem Stück nicht ein bisschen, dass eine Frau ihre Heimat schätzen und sich dort, wo sie lebt, durchsetzen soll?
Adesuwa Reiterer: Eine Frau soll nicht vor ihren Problemen weg laufen. Wo auch immer ich mich zu Hause fühle und glücklich bin, ist das Paradies. Wenn eine Frau in ihrem Land in Afrika lebt und glücklich ist, ist dort das Paradies. Wenn sie geflüchtet ist, kann das Europa sein. Was wir in dem Stück auszudrücken versuchen, ist, dass man niemanden in bezug auf das Paradies vorschreiben kann, wo das ist. Keine Regierung, keine Familie, keiner... Für jeden Menschen ist es anders. Die Vorstellungen von Menschen sind unterschiedlich.

Neue Erfahrungen bringt mir, dass ich, inklusive der Bühnenbildnerin Gudrun Lenk-Wane, mit sieben verschiedenen Frauen arbeite. Da merke ich, wie unterschiedlich die interpretieren, was das Paradies ausmacht. In Europa wird es mehr mit Arbeit und Karriere in Verbindung gebracht, nicht z.B. mit Gesundheit. In Afrika tragen die Leute, egal was passiert, ein fröhliches Gesicht nach außen, versuchen ständig ihre Version vom gemeinsamen Paradies zu vermitteln. Ein ordentliches Leben, eine gute Frau, gute Arbeit, kein Stress..., machen in Afrika das Paradies aus. Es gibt schon Gemeinsamkeiten in Europa und Afrika in bezug auf ein halbwegs gutes Leben. Aber dann gibt es andere, die träumen von einem noch besseren Leben. (Kerstin Kellermann, die Standard.at, 15.9.2007)