Qui: Love's Miracle (Ipecac/Trost)

Foto: Ipecac

Eine der großen Freuden des Rock'n'Roll ist ja, dass man als Adept desselben bis ins hohe Alter deppert sein darf. Siehe dazu U2, Keith Richards, Paul McCartney, AC/DC, Iggy Pop und viele andere Michael Jacksons, Elton Johns oder Madonnas. Glücklicherweise gilt dieses Privileg nicht nur für die Privatjetflieger im Business, sondern auch für die Zu-Fuß-Geher und ewigen Dreiradfahrer. In diesen Gefilden bewegen wir uns, wenn es um die Band Qui geht, und das Deppert-Sein wird auch vom zur Verfügung gestellten Bandfoto - siehe oben - hübsch illustriert.

Die drei Jungs in der Wanne, von denen zumindest einer ein Gesicht macht, als sei ihm gerade ein Malheur passiert, heißen Matt Cronk, David Yow und Paul Christensen. Cronk und Christensen haben 2001 das Duo Qui ins Leben gerufen und als solches mit Prügelschlagzeug und Ich-esse-meine-Suppe-nicht-Gitarre einen - man ahnt es - relativ rohen ästhetischen Entwurf geboren, der in Tradition großer Kinder wie Hasil Adkins, den Gibson Brothers oder The Jon Spencer Blues Explosion stand. Nachdem die beiden 2003 mit Baby Kisses debütiert hatten, wurden sie in Los Angeles in einschlägigen Kreisen bald als heißer Live-Act gehandelt. Das glauben wir gerne, so richtig "fucking hot" sind Qui allerdings wohl erst jetzt.

Dem Duo ist nämlich im Vorjahr David Yow zugelaufen. Dieser ist einst mit der schärfsten Live-Band der frühen 1990er-Jahre durch die Clubs dieser Welt gezogen und hat dafür gesorgt, dass man nach Erleben eines Auftritts von The Jesus Lizard (fast) alles andere als Kinderwind einstufen muss. Leider und echt. Eben ist auf DVD ein Live-Dokument eines Jesus-Lizard-Konzerts aus dem Jahr 1994 erschienen, das diesen Ruf untermauert. Zu den größten Lizard-Fans gehörte übrigens Kurt Cobain, und das Nirvana-Album In Utero gilt als deutlich von Jesus Lizard beeinflusst. So weit, so historisch.

Nach dem Ende von Jesus Lizard 1998 zog Yow nach Los Angeles und verdingte sich als Computer-Grafiker, der in den vergangenen Jahren jedoch mehrfach rückfällig wurde und Gastauftritte, etwa bei den Melvins, absolvierte und im Vorjahr mit seiner ersten Band, Scratch Acid, ein umjubeltes Reunion-Konzert anlässlich des 25-jährigen Jubiläums des Chicagoer Labels Touch & Go gab.

Mit Qui wütet er nun wieder durch den Urschlamm der Popmusik und brüllt von dort mit immer noch quengeliger, dabei doch gereifter, also tieferer Stimme seine Texturen zum Blues-Punk der beiden ihn begleitenden Jünglinge. Zwar vermisst man auf Love's Miracle gelegentlich das genialische Bass-Spiel von David Wm. Sims, die Wucht, mit der sich Qui ins Zeug und gegeneinander legen, ist aber auch ohne Viersaiter buchstäblich umwerfend. Sei es in heftig eruptierenden Stücken wie Gash oder in zerdehnten Blues-Studien wie A #1, in denen Yow wohl auch ein bisserl verschnaufen darf - um dann einmal mehr mit aller Wucht hochzugehen. So soll es sein! (Karl Fluch / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 14.9.2007)