Die Aufstockung des türkischen Zentrums im 20. Bezirk (im Bild Gebäude vorne li) stört die Nachbarn

Foto: STANDARD/ Newald

In der Kantine des Vereins Atib im lauschigen Innenhof ...

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... trifft man sich zum Tee.

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Seit die Pläne für den Ausbau eines türkischen Kulturzentrums samt Gebetshaus bekannt geworden sind, regt sich der Widerstand der Anrainer gegen den vermeintlichen Bau einer Moschee im 20. Wiener Gemeindebezirk. Obwohl Vertreter des Vereins Atib betonen, dass "auf keinen Fall eine Moschee mit Minarett und Kuppel" entstehe.

Heute, Donnerstag, hält eine Bürgerinitiative gemeinsam mit der FPÖ einen Protestmarsch ab, für den sich auch FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache angekündigt hat. Die Bezirks-ÖVP hat ebenfalls zur Teilnahme an der Demonstration aufgerufen. VP-Landeschef und Wissenschaftsminister Johannes Hahn ist darüber nicht glücklich, distanziert sich aber auch nicht ausdrücklich davon - Von Karin Krichmayr

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Wien – Ein paar Männer stehen an der Budel in der neonbeleuchteten Kantine und lassen sich Tee eingießen. Weiter hinten sitzen die älteren an den in Reihen aufgestellten Tischen und starren auf den Großbildschirm, auf dem gerade türkische Nachrichten laufen. Dahinter ein Wuzler und ein Billardtisch, an den Wänden eine türkische neben einer österreichischen Fahne; ein schwarzes Brett, auf dem Wohnungen, Autos und Kurse für Deutsch, Gitarre und Tennis angeboten werden.

"Wir sind ein ganz normaler Verein", beteuert Murat Cetinkaya, der gerne für ein paar Stunden in das Lokal von Atib, der "Türkisch-islamischen Union für kulturelle Zusammenarbeit in Österreich" kommt – "um Freunde zu treffen". Neben der Kantine, die auch als Veranstaltungsraum dient, gibt es einen kleinen Greißler und Gebetsräume für Männer und Frauen.

Zehn Jahre, nachdem das ehemalige Fabriksgebäude in der Dammstraße im 20. Wiener Gemeindebezirk von Atib gekauft wurde, bedarf es einer Renovierung und Erweiterung des Kulturzentrums, sagt Atib-Sprecher Nihat Koca. Im Frühjahr wurden die Pläne für die Aufstockung des ebenerdigen Gebäudes auf vier Ebenen eingereicht. Seminarräume für Deutschkurse und ein Kindertagesheim sollen dort untergebracht werden, ein laut Baubehörde genehmigungsfähiges Projekt. "Es wird auf keinen Fall eine Moschee mit Minarett und Kuppel", setzt Koca sofort hinzu.

Gegen ebendies, "gegen die Errichtung einer Moschee in unserem Wohngebiet", wettert die FPÖ in Werbeeinschaltungen und auf Flugblättern, die in den vergangenen Tagen die "getarnte Eroberung Europas", unter anderem durch den Bau eines "islamischen Pilgerzentrums und Ausbildungshorts" in der Brigittenau, heraufbeschwor. "Gegen eine weitere Islamisierung der engeren und weiteren Heimat" spricht sich auch die Bürgerinitiative Dammstraße aus, die – unterstützt von FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache und auch der Bezirks-ÖVP – Donnerstagabend, zu Beginn des Ramadan, einen Protestmarsch veranstaltet, um Bezirksvorsteher Karl Lacina (SPÖ) eine Petition mit 4000 Unterschriften gegen den "Moschee-Bau" zu überreichen.

Angst vor "Eskalation"

"Es wird zu einer Eskalation kommen, wenn das islamische Zentrum ausgebaut wird", glaubt Hannelore Schuster, Sprecherin der Bürgerinitiative. "Es gibt jetzt schon zu viel Lärm", begründet sie. "Es geht in der Herrgottsfrüh los und dauert bis nach Mitternacht." Durch die Aufstockung würden über 1000 Menschen den Verein frequentieren, und das bedeute eine Einschränkung der Lebensqualität.

"Wir machen nichts, was stört", sagt hingegen Cetinkaya, der glaubt, dass "das Fremde die Leute ängstlich macht". "Die freie Religionsausübung steht nicht zur Debatte", betont Schuster. "Wir wären genauso dagegen, wenn die katholische Kirche ein Veranstaltungszentrum bauen würde." Dass ihnen wegen ihres Protests "ein Nazi-Vorwurf" gemacht wird, mache sie "sehr wütend". Die FPÖ und ÖVP wären die einzigen gewesen, die sich ihrem Anliegen angeschlossen hätten. Die FPÖ finanziere auch die Homepage der Bürgerinitiative (www.moschee-ade.at), bekennt Schuster freimütig.

Damit, dass auch die Bezirks-ÖVP zur Demo aufgerufen hat, ist VP-Landeschef Wissenschaftsminister Johannes Hahn nicht glücklich. Allerdings: "Wenn SPÖ-Sozialminister Buchinger Che Guevara verherrlichen darf, soll auch einem Bezirksvertreter Eigeninitiative erlaubt sein", lautet der knappe Kommentar aus dem Ministerbüro. Man müsse das Unbehagen der Bevölkerung ernst nehmen.(DER STANDARD Printausgabe 13.9.2007)