Sich weder an die Wäsche gehen noch einen Strick drehen lassen: Tänzerin von Trisha Brown in "Floor of the Forest".

Foto: Climb Henry Art Gallery/TBDC
Auch in dieser Saison ist die Darstellung des State of the Art der Gegenwartschoreografie Programm.
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In vielerlei Hinsicht ist das Tanzquartier Wien eine österreichische Größe. International hoch geschätzt, bis zur Konkurrenzlosigkeit ambitioniert unter den europäischen Tanzhäusern, wegweisend in seinen kuratorischen Ansätzen, maßstabsetzend in seiner Interdisziplinarität und Kooperationsfreudigkeit und ein Raketentriebwerk für den zeitgenössischen Tanz. Eine solche Bilanz wäre geradezu langweilig, wenn sie für ihren Träger nicht die sprichwörtlichen Probleme des Propheten im eigenen Land erzeugte.

Am Beginn seiner siebenten Saison macht das TQW klar, dass es zurzeit in Hochform ist. Seine progressive Ausrichtung ist unbestreitbar, und trotzdem hält das Programm Kunstwerke, Theorieangebote und Tänzertrainings für so gut wie alle Ansprüche bereit. Die Gegenwartstrends der zeitgenössischen Choreografie werden in ihren experimentellen und etablierten Ausrichtungen sichtbar gemacht. Österreichische Kunst steht auf Augenhöhe mit der internationalen. Bühnen- und Laborformate, Unterhaltung und Research, gesellschaftpolitisch und formal fokussierte Arbeiten greifen ineinander. Und für Research, Reflexion und Nachwuchspflege ist breiter Raum vorhanden.

Zwei Künstlerinnenfiguren, deren Werk ikonisch für den großen Aufbruch des Tanzes in den guten Sechzigerjahren stehen, drücken dem Tanzquartier-Herbst ihre Stempel auf: Trisha Brown und Yvonne Rainer, Protagonistinnen des New Yorker Judson Dance Theater, geben Parameter vor, die die Werke auch der jüngsten Choreografengeneration maßgeblich mitbestimmen.

Bereits im September bringt Brown einen Abend mit Early Works auf die Bühne der TQW-Halle G, darunter Floor of the Forest (1970) und Accumulation (1971). Und Yvonne Rainer, erst kürzlich vom Film zur Performance zurückgekehrt und nach der vergangenen Saison nun zum zweiten Mal im TQW zu Gast, präsentiert im Oktober ihr kürzlich uraufgeführtes Stück RoS Indexical zum ersten Mal in Österreich. Beide Künstlerinnen waren auch bei der Kasseler documenta 12 vertreten.

Rainers Rite of Spring (RoS) korrespondiert auf kontrovers-verwandte Art mit Xavier Le Roys Stück Le Sacre du Printemps, das im Dezember zu sehen sein wird. Trisha Brown wiederum ist ein wichtiger Bezugspunkt zu feminine delight von Frans Poelstra & Robert Steijn, das nach seiner Uraufführung beim Steirischen Herbst im Februar auch im TQW zu sehen sein wird. (Helmut Ploebst, DER STANDARD/Printausgabe, 11.09.2007)