New York – Rudy Giuliani erwähnt den 11. September 2001 beinahe in jeder seiner Reden. Jetzt allerdings, da sich die Terrorattacke auf das World Trade Center das sechste Mal jährt, tut er es mit besonderer Inbrunst. Der ehemalige Bürgermeister von New York City kämpft um die Nominierung für die republikanische Präsidentschaftskandidatur. Der Zuspruch für ihn in den Umfragen hängt zu beinahe 100 Prozent von seinem Verhalten nach 9/11 ab.
Vertrauen eingebüßt hat Giuliani unlängst auch mit diesem Thema: Er behauptete, dass er mehr Zeit auf Ground Zero verbracht hatte als die meisten Bergekräfte. Die Zeitungen wiesen ihm nach, dass er im September 2001 mehr außerhalb der Stadt war als am Südzipfel Manhattans. Auch Feuerwehrleute und Polizei kritisierten ihn. Etliche Männer seien gestorben, weil er als Bürgermeister kein anständiges Funksystem angeschafft habe.
Mythos 9/11
Auch Hillary Clinton, New Yorker Senatorin und Bewerberin um die demokratische Kandidatur, fand sich am Wochenende am Ground Zero ein. Sie erinnerte daran, dass sie am Tag nach dem Anschlag dort war. Ihr demokratischer Gegner John Edwards sprach dieser Tage ebenfalls nur wenige Blocks entfernt über das Thema Terror – in Zeiten harter Wahlkampagnen wollen alle vom Mythos 9/11 profitieren.
Die New Yorker selber müssen diesmal anders gedenken. Glockenläuten, Schweigeminuten, Verlesung der Opfernamen und Prozession der Witwen und Waisen in die Tiefe von Ground Zero wird es so nicht mehr geben. Die Bauarbeiten dort lassen keinen Platz mehr zum Trauern.
Bürgermeister Michael Bloomberg verlegte die eigentliche Zeremonie in den Zucotti Park am Broadway, etliche hundert Meter von der bisherigen Gedenkstätte entfernt. Bloomberg ging allerdings auf den heftigen Protest einiger Gruppen ein und gab die Rampe hinunter in die Baugrube ein letztes Mal frei – unter strikten Auflagen.
Abschied von Ground Zero
Damit steht jetzt der Abschied von Ground Zero bevor, der für viele Hinterbliebene fast sakrale Bedeutung hat. Der Psychologe Sam Kedem sagt: „Diese Familien klammern sich an Ground Zero, weil ihnen nichts anderes blieb.“ Ob die geplante Gedenkstätte mit Kunstpark und Wasserfällen einmal die gleiche Nähe zu den Opfern schaffen kann wie die „Fußabdrücke“ der einstigen Zwillingstürme, sei unklar.