Manu Chao: "La Radiolina" (Radio Bemba/Warner)

Foto: Warner
Auf "La Radiolina" erleben wir den Mann jetzt in absoluter Hochform.


José Manuel Arturo Tomás zählt als Manu Chao spätestens seit seinem Welterfolg mit dem 1998 erschienenen Album Clandestino zu jenen handverlesenen Popstars, die ihre Erfolge auf eine Musik gründen, die (möglichst) wenig mit dem dominanten Rock und Pop angloamerikanischer Prägung zu tun hat. Immerhin verweigerte der in Paris geborene und heute zwischen seinen Reisen in Barcelona lebende Musiker bis vor Kurzem auch Auftritte im von ihm kritisierten Mutterland der Globalisierung, in den USA. Spätestens seit seinem Engagement für die Antiglobalisierungsorganisation Attac wird der rastlose Musiker allerdings jetzt auch zunehmend dort gehört. Manu Chao in der Septemberausgabe der britischen Zeitschrift The Word: "Ich bin nicht besonders stolz auf die Regierung meines Heimatlandes Frankreich; das Problem mit der US-Regierung ist allerdings, dass, was immer auch von ihr entschieden wird, eine Auswirkung auf mein Land haben wird - und ich bin kein Amerikaner! Wenn die USA tatsächlich eine Demokratie wären, müsste jeder in der Welt den US-Präsidenten wählen dürfen."

Mit Aussagen wie diesen und französisch, englisch und spanisch gesungenen, bewusst naiv und einfach gehaltenen Liedern über Freiheit und Gerechtigkeit und den Kampf gegen politische Missstände hat sich der bekennende Fan von Vorbildern wie Joe Strummer und The Clash seit seinen Anfängen mit seiner ersten Band Mano Negra in den späten 80er-Jahren heute weltweit ein treues Publikum erspielt, das an seinem Helden vor allem auch dessen außermusikalische Aktivitäten schätzt. Siehe auch: www.manuchao.net!

Manu Chao stand bei den Protesten in Genua anlässlich des von gewalttätigen Auseinandersetzungen von Globalisierungsgegnern mit den Sicherheitskräften begleiteten G8-Gipfels 2001 ebenso an vorderster Front, wie er die Zapatisten-Bewegung in Mexiko unterstützt. Derzeit investiert er, neben der gemeinsam Arbeit mit Regisseur Emir Kusturica an einem Maradona-Film, seine Zeit und sein Geld in eine Fair-Trade-Bekleidungs-Fabrik in Brasilien. In Buenos Aires hat er gerade gemeinsam mit Psychiatriepatienten ein bizarres Spoken-Word-Album aufgenommen. Und er plant, nach einer aktuellen Tournee mit seinem Radio Bemba Soundsystem, endlich eine Ausbildung als Chiropraktiker zu beginnen - ein lang gehegter Wunsch.

Zwischendurch ist auf der Grundlage akustischer Reiseskizzen auf seinem Laptop jetzt wieder ein neues Album erschienen. Das im Patchwork-Stil gehaltene La Radiolina beinhaltet dabei die bei Manu Chao so geschätzte altbekannte Mixtur aus lateinamerikanischen, jamaikanischen, afrikanischen und katalanischen Einflüssen, die mit einer Prise Punk, Alltagsgeräuschen und auf Reisen zusammengetragenen Wortspenden aufgeraut werden. Im Vergleich zu Clandestino und dessen 2001 erschienenem Nachfolger Próxima Estación: Esperanza stellt La Radiolina allerdings neben den gewohnt einfach und plakativ gehaltenen Texten ("In Bagdad it's no democracy, that's just because it's a US-country!") eine entschiedene Weiterentwicklung auf musikalischer Ebene dar.

Die diversen künstlerischen Quellen greifen im Gegensatz zu früher viel selbstverständlicher ineinander. Durchzogen vom auf der aktuellen Single Rainin' In Paradise entworfenen, fröhlich wie sonst nur bei Billy Idol rockenden Gitarrenmotiv ist eine fröhlich, aber entschieden gegen den Blödsinn in der Welt wütende Musik entstanden, die tatsächlich nicht mehr auf lokale Wurzeln zurückgreifen muss. Das hier ist Weltbürgertum auf höchstem Niveau. (Christian Schachinger / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 7.9.2007)