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Wer bekommt wieviel? Darüber werden Bund, Länder und Gemeinden ab Donnerstag bei den Finanzausgleichsverhandlungen streiten.

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Johann Bröthaler empfiehlt eine längerfristige Reformstrategie, um die Finanzflüsse flexibel und transparent gestaltbar zu machen.

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Noch heuer soll der neue Finanzausgleich und damit die Verteilung der Steuereinnahmen auf Bund, Länder und Gemeinden beschlossen werden. Das große Feilschen - und damit auch vorhersehbare Unstimmigkeiten zwischen Bund, Ländern und Gemeinden - wird am Donnerstag fortgesetzt, wenn Vertreter der einzelnen Gebietskörperschaften zusammentreffen und um 280 Milliarden Euro an Steuermitteln für die Jahre 2008 bis 2011 verhandeln.

Warum es diese Verhandlungen überhaupt gibt, ob der Finanzausgleich noch zeitgemäß ist, und wie man ihn vereinfachen könnte, erklärt Finanzexperte Johann Bröthaler von der Technischen Universität Wien im Gespräch mit Rosa Winkler-Hermaden.

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derStandard.at: Warum ist es notwenig, dass alle vier Jahre Finanzausgleichsverhandlungen stattfinden?

Bröthaler: Die öffentlichen Aufgaben und die finanzwirtschaftlichen Verhältnisse ändern sich. Dies erfordert, die Finanzierung und die Mittelverteilung laufend anzupassen. Es ist ein Prinzip des kooperativen Bundesstaates, das sich in Österreich über die Jahre bewährt hat, periodisch über die Aufteilungsverhältnisse neu zu verhandeln. Es gibt auch Länder, wo das auf ein Jahr oder auf unbestimmte Zeit festgelegt ist. Bei vier Jahren könnte man den Aufwand für Verhandlungen als angemessen werten. Zudem hat man innerhalb der Finanzausgleichsperiode Rechtssicherheit und kann sich auf sehr stetige Einnahmen verlassen.

derStandard.at: Woher kommt das Geld, um das verhandelt wird?

Bröthaler: Im Kern geht es um die gemeinschaftlichen Bundesabgaben. Das ist jener große Steuertopf, der gemäß Finanzausgleichsgesetz auf die Gebietskörperschaften - Bund, Länder, Gemeinden - verteilt wird. Verhandelt werden auch die ausschließlichen bzw. eigenen Abgaben, die der jeweils einhebenden Gebietskörperschaft zufließen, sowie bestimmte finanzielle Transfers zwischen den Gebietskörperschaften.

derStandard.at: Wovon ist es abhängig, wer wie viel Geld bekommt?

Bröthaler: Das kann man einerseits – bei der vertikalen Verteilung (Anm. Aufteilung auf Bund, Länder, Gemeinden nach fixierten Verhältnissen) – nur historisch sehen: Es haben sich über die Jahrzehnte ohne nähere sachliche Begründung Aufteilungsverhältnisse ergeben, die vor allem durch das Verhandlungsprinzip „Konsens durch Kontinuität“ bestimmt sind. In den letzten Jahren hat man bei den Verhandlungen immer geschaut, dass das gleiche Aufteilungsverhältnis zwischen den Gebietskörperschaften herauskommt, wie in den früheren Jahren. Die komplizierten Änderungen des Finanzausgleichs waren in den letzten Jahrzehnten primär eine Reaktion auf Änderungen des Steuersystems (Einführung, Auflassung, unterschiedliche Dynamik von Steuern). Im Ergebnis ist die vertikale Steueraufteilung weitgehend konstant geblieben.

Auf horizontaler Ebene gilt es zu verhandeln, wie das Geld zwischen den einzelnen Ländern und den einzelnen Gemeinden aufgeteilt wird. Derzeit kommen vor allem die einfache und die gewichtete Einwohnerzahl als Aufteilungskriterium zur Anwendung. In den letzten Jahren wurde das Gleichheitsprinzip verstärkt – vor allem durch Abflachung des abgestuften Bevölkerungsschlüssels. Man könnte zwar eine Reihe sachlicher Gründe finden, warum die eine Gemeinde pro Kopf mehr Geld bekommen soll als die andere, etwa für zusätzliche zentralörtliche oder ballungsraumspezifische Aufgaben, für Sonderlasten oder spezielle geographische Gegebenheiten. Ein umfassend „gerechtes“ und objektives Verteilungssystem ist jedoch kaum definierbar. Letztendlich sind das aber immer politische Festlegungen.

derStandard.at: Ist diese Aufteilung, wie sie sie jetzt beschrieben haben, noch zeitgemäß?

Bröthaler: Das System des österreichischen Finanzausgleichs kann durchaus als erfolgreiches, konsensorientiertes Modell angesehen werden. Großer Reformbedarf besteht vor allem bei den komplexen Transferverflechtungen. Ein Schwachpunkt ist sicherlich auch, dass im Finanzausgleich kein direkter Zusammenhang mit der normativen Aufgabenverteilung besteht. Deswegen gibt es ständig die Diskussionen bei Klassenschülerhöchstzahlen, Pflegevorsorge, Krankenanstaltenfinanzierung, etc. Es kommt immer darauf an, wer Aufgaben bestimmt und wer sie erfüllt. Der Finanzausgleich passt sich zu wenig an Änderungen bei der Aufgabenverteilung und -finanzierung an. Oder anders formuliert: er setzt eine klare Aufgaben- und Kompetenzverteilung voraus, die derzeit nicht gegeben ist.

derStandard.at: Wer zahlt bei den Finanzausgleichsverhandlungen drauf? Stimmt der Vorwurf der Länder, dass der Bund zuwenig Geld zu Verfügung stellt bzw. umgekehrt?

Bröthaler: Das sind natürlich Verhandlungsstrategien, die jeder einnehmen muss. Jede Ebene sagt „Wir kriegen zu wenig und wir brauchen mehr“. Das kann man also nicht objektiv beantworten, hier wäre politische Meinung gefragt.

derStandard.at: Was halten Sie davon, dass Bartenstein und Molterer sparsame Länder belohnen wollen? Kann das funktionieren?

Bröthaler: Das Prinzip, dass jemand, wenn er sparsam mit Mitteln umgeht, belohnt oder wenigsten nicht bestraft wird, kann durchaus Sinn ergeben. Für effizientes und nachhaltiges Wirtschaften gibt es sonst ja im Wesentlichen keine Belohnungen. Um diese Anreize im Finanzausgleich zu schaffen, wäre es allerdings erforderlich, ausgabenbezogene Größen in das Verteilungsverfahren einzubeziehen, was bisher vermieden wurde.

derStandard.at: Hätten Sie Vorschläge, wie man den Finanzausgleich reformieren kann?

Bröthaler: Verstärkte Aufgabenorientierung, Offenlegung und Evaluierung von Verteilungszielen, mehr Eigenverantwortlichkeit und Autonomie, weniger Zweckbindung, Anreize für effiziente Mittelverwendung, Reduktion und Reorganisation der Transferverflechtungen, befristete Förderschwerpunkte, ertragsneutrale Entrümpelung um Übergangsregelungen. Das sind allerdings nur Schlagworte, die nicht kurzfristig in Finanzausgleichsverhandlungen umsetzbar sind.

derStandard.at: Eine Vereinfachung ist also nur möglich, wenn man einen längeren Zeitraum zwischen den Finanzausgleichverhandlungen anpeilt?

Bröthaler: Grundsätzlich ja, für eine grundlegende Reform braucht man lange. In der Schweiz etwa waren es zuletzt 15 Jahre. Erforderlich ist also eine politische Vereinbarung einer längerfristigen Reformstrategie, die über mehrere Finanzausgleichsperioden hinausgeht. Ich glaube allerdings nicht, dass bei den vorgezogenen Verhandlungen über große Reformschritte gesprochen werden kann. Skeptisch bin ich bei dem Vorhaben der Vereinfachung der Finanzmittelverteilung. Die hohen Erwartungen an den Finanzausgleich erfordern im Gegenteil mehr methodische Vielfalt, systematische Modularisierung und angemessene Differenzierung. Erst dann sind Finanzflüsse durch die Politik flexibel und transparent gestaltbar. (derStandard.at, 5.9.2007)