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Schleichende Vergiftung am Arbeitsplatz? Ja - aber wie viele Arbeitnehmer tatsächlich an den Langzeitfolgen durch Passivrauchen sterben, lässt sich nur grob schätzen.

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Einheitliche Statistiken fehlen in Europa, die vorhandenen Zahlen sind wenig dramatisch.

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Diskriminierung von Rauchern? Die will Gesundheitsministerin Andrea Kdolsky (ÖVP) in jedem Fall vermeiden. Vor allem die "Diskriminierung mit erhobenem Zeigefinger", wie Kdolsky am Montag bei einer Pressekonferenz klarstellt. Deshalb wird es in Österreich auch kein generelles Rauchverbot in der Gastronomie geben.

Die Novelle des Tabakgesetzes zur räumlichen Trennung der Gruppen in Lokalen, die kommende Woche in Begutachtung geschickt wird, soll vor allem der Bewusstseinsschärfung dienen, betont die Gesundheitspolitikerin. Ob dazu auch Sanktionen verhängt werden, wenn geraucht wird, wo es der Gesetzgeber verbietet, steht dabei noch immer nicht fest.

Dass sowohl aktives als auch passives Rauchen schädlich ist, daran gibt es für Kdolsky keinen Zweifel. An der Zahl der Betroffenen dagegen sehr wohl. Zwar zitiert die ausgebildete Ärztin eine Studie der europäischen Gesellschaft für Atemwegserkrankungen (ERS): Mehr als 79.000 Todesfälle jährlich waren im Jahr 2002 in der EU auf Passivrauchen zurückzuführen.

Schädliches von zuhause

Die überwiegende Mehrzahl der geschätzten Opfer ist dabei nicht am Arbeitsplatz dem schädlichen Qualm ausgesetzt. Mehr als 72.000 Menschen hatten den Rauch, an dem sie gestorben sind, ungewollt zu Hause eingesogen.

Nur "Benchmarking zwischen den EU-Staaten ist nicht möglich", bedauert Kdolsky. Denn: "Wir haben keine einzige wirklich nachvollziehbare Studie über die Auswirkungen des Passivrauchs in den einzelnen Ländern." Das Problem sei, dass anhand von Erkrankungen Hochrechnungen mit (in fast jedem Staat) unterschiedlichen Methoden gemacht werden.

Einer Tatsache, der auch Manfred Neuberger, Professor an der Medizin-Uni Wien und Vertreter der "Ärzteinitiative gegen Raucherschäden", zustimmen muss. "Der sicherste Teil der Formel ist das relative Risiko. Man kann sagen, dass 'starkes Passivrauchen' in etwa dem Risiko eines schwachen Rauchers entspricht." Die Schwierigkeit der medizinischen Rechenarbeit liegt an anderer Stelle: "Bei der Einschätzung, wie viele Personen dem Passivrauchen ausgesetzt sind und wie stark dieser Rauch ist."

Sieben Tote absolut

In absoluten Zahlen verliert das Risiko der schleichenden Vergiftung am Arbeitsplatz dabei etwas an Dramatik. Denn laut der zuvor erwähnten ERS-Schätzung starben zwar im Jahr 2002 exakt 173 Österreicher aufgrund der Folgen von Passivrauch am Arbeitsplatz. In diesem Jahr waren allerdings laut Statistik Austria 3,76 Millionen Menschen erwerbstätig - 0,005 Prozent der Arbeiter und Angestellten war also rechnerisch betroffen. Etwas höher war die Zahl der betroffenen Arbeitnehmer in der Gastronomie: Die von der ERS geschätzten sieben Tote entsprechen rund 0,006 Prozent der Beschäftigten in der Gastronomie.

Zum Vergleich: Im Vorjahr starben laut Unfallversicherungsanstalt 274 Menschen bei Arbeitsunfällen, 276 Menschen starben im Straßenverkehr als Beifahrer, Fußgänger oder Radfahrer - also nicht als aktive Autofahrer.

Um mehr Klarheit in die Debatten um Auswirkungen des Passivrauchens zu bringen, will sich Gesundheitsministerin Kdolsky bei der EU für eine einheitliche Berechnung stark machen. (Michael Möseneder/DER STANDARD – Printausgabe, 4.9.2007)