Der Journalist Michael Jackson beim Verkosten.

foto: Seidl
Der britische Journalist Michael Jackson (1942 – 2007) starb in der Vorwoche in London. Kaum jemand hat wie er dazu beigetragen, dass die Bierwelt vielfältiger geworden ist. Die TV-Serie „The Beer Hunter“ gab Brauern weltweit Anstöße – und schuf für Jackson ein Markenzeichen.

„Vor gut 30 Jahren habe ich begonnen, eine Geschichte über Bier zu schreiben, aber ich bin bis jetzt nicht fertig damit“, erzählte mein englischer Kollege Michael Jackson gerne. Bis Mitte der siebziger Jahre hatte er Fachartikel über Jazz, Wirtschaft und Werbung verfasst und als Fernsehproduzent gearbeitet. Aber dann kam er auf die für einen Journalisten nicht ganz abwegige Idee, über das zu schreiben, was unseren Alltag ausmacht.

Zu diesem journalistischen Alltag gehörte (und gehört in vielen Redaktionen heute noch) das Ritual, nach getaner Arbeit „auf ein Bier“ zu gehen. Für britische Kollegen hieß das: In ein Pub zu gehen – und die Pub-Kultur war in jener Zeit im Umbruch. An den Bars konnten die aufmerksamen Wirtschaftjournalisten wahrnehmen, was in ihren Kurzbeiträgen nur nebenbei erwähnt worden war; traditionelle Bierstile wie das Bitter und das Mild, ganz zu schweigen von Cask Conditioned Stout oder dem Porter wurden nach und nach durch helle untergärige Biere verdrängt. Gleichzeitig schmolz die Auswahl an Bieren rasch dahin, weil zwischen 1965 und 1990 das internationale Phänomen des Brauereisterbens seinen Höhepunkt hatte.

Was war das doch für ein Unterschied zu dem, was Michael Jackson (nicht verwandt mit dem namensgleichen Popsänger, von seinen Fans aber später ähnlich verehrt) in seiner Jugend in Yorkshire kennengelernt hatte! Ab dem Alter von 16 war er regelmäßig in Pubs gegangen – mit anhaltender Faszination erzählte er davon, wie die gegenüber von Kohlenminen und Stahlwerken gelegenen Pubs kurz vor dem Schichtwechsel jedes nur verfügbare Glas mit dem traditionellen handgepumpten und relativ alkoholarmen Ale volllaufen ließen, damit beim Klang der Sirenen die Arbeiter hereinstürmen konnten, um oft beidhändig das Bier in sich hineinzuschütten.

So war das in den fünfziger Jahren – aber als Jackson sich in den siebziger Jahren daran zurückdachte, waren viele Minen bereits geschlossen, die Stahlindustrie konsolidierte sich gerade. Und die Trinkgewohnheiten änderten sich langsam, die Biere auch. Als Jackson sein erstes Buch „The English Pub. A unique social phenomenon“ 1975 verfasste, hatte es fast etwas von einem Abgesang auf die Institution. Zur selben Zeit aber begannen Bierkonsumenten, sich in der Campaign for the Revival of Ale (heute Campaign for Real Ale – CAMRA) zu engagieren, es wurde für die Erhaltung kleiner Brauereien demonstriert und Biervielfalt eingefordert. Die theoretische Grundlage – Hinweise, welche Biere aus welchem Winkel der Welt wert wären, probiert zu werden – lieferte Jackson mit seinen Büchern, von denen vor allem sein vor 30 Jahren erschienener „World Guide to Beer“ für eine ganze Generation von Bierfreunden prägend war. Er inspirierte viele amerikanische Kleinbrauer, ihre Arbeit professioneller zu machen – man braute Bierstile, die nahezu oder ganz ausgestorben waren, aber von Jackson wiederentdeckt wurden.

Dann und wann traute sich jemand, ein Russian Imperial Stout zu brauen oder die Hopfung seiner Biere ins Extrem zu steigern, andere Getreide als Weizen und Gerste zu vermälzen, die Malze zu räuchern und individuellere Hefen zu verwenden, die von den effizienzgewohnten Großbrauereien abgelehnt wurden. Keines dieser Biere wurde auf Anhieb zum Erfolg – aber die meisten fanden ihre Plätze in Nischen und dort treue Fans. Die großen Erfolge von Sierra Nevada, Anchor Brewing, aber auch der Boston Beer Company wären ohne die Wegbereitung durch Jackson kaum möglich gewesen. Und dass europäische Kleinbrauereien heute international wahrgenommen werden, haben sie ebenfalls Jackson zu verdanken: Er brachte immer wieder Biere fränkischer Kleinbrauereien zu den Bierseminaren des Smithonian Institute – und er kam beinahe jedes Jahr im Dezember nach Österreich, wenn in der Brauerei Schloss Eggenberg der Samichlaus eingebraut wurde, eines der wenigen Biere aus Österreich, die wirklichen Weltruf genießen.

Und Jackson seinerseits bekam dadurch immer neuen Stoff für seine Berichte, die nun in Playboy und Oui, im Independent und in What’s Brewing gedruckt wurden. Ein Massenpublikum erreichte seine Fernsehserie „The Beer Hunter“, die für Channel 4 gedreht wurde und von Dutzenden englischsprachigen Fernsehstationen übernommen wurde.

Und andere zogen nach: Bier-Journalisten, die für ein breiteres Publikum über das Brauwesen und das Bier als Genussmittel schreiben, hätten kaum ein Publikum gefunden, bevor Jackson populär geworden ist. Genauer: Es hat keine Massenmedien gegeben, die es für wichtig gehalten hätten, über Bier mehr in die Zeitung zu rücken als die Nachrichten von mehr oder meist eher weniger guten Geschäftsberichten, von gelegentlichen Arbeitsunfällen oder allenfalls von Brauereijubiläen.

Der Beer Hunter Jackson aber stand Pate bei der Gründung der British Guild of Beer Writers, dem Berufsverband der Bierjournalisten, in dem derzeit mehr als 100 Kolleginnen und Kollegen organisiert sind; in der North American Guild of Beer Writers sind es ebenso viele.

Jackson, der in den letzten Jahren an Parkinson und Diabetes litt, hat in den letzten Wochen gemeinsam mit vielen internationalen Kollegen sein Buch „Eyewitness Companion: Beer“ (bei Dorling Kindersley ab November) abgeschlossen. Ich selber hatte die Ehre, das Material für ein paar Kapitel beizusteuern (und das Vergnügen, die Biere dafür zu verkosten).

Das Erscheinen seines letzten Buches hat er nicht mehr erlebt. Jackson erlag am 30. August 2007 in seiner Londoner Wohnung einem Herzanfall. Seine Bier-Story ist damit immer noch nicht fertig. Aber andere werden sie weiterschreiben – solange es Brauereien gibt, die Biere brauen, die wert sind, beschrieben zu werden. (Conrad Seidl)