Autotransport, russisch: Von Wladiwostok aus werden japanische Gebrauchte - per Stange zusammengeschweißt und ein wenig gegen Steinschlag geschützt - in Sibirien verteilt.

Foto: Skarics
Die Verlockungen für Autohersteller, sich in Russland zu engagieren, sind groß. Die Aussichten, auch tatsächlich Autos zu verkaufen, nicht so. Denn Neuwagen sind schlichtweg zu teuer. Und Gebrauchtwagen gibt es wenige.

Bis jetzt ist es erst Dacia mit dem Billigauto Logan gelungen, Fuß zu fassen. Als stärkste europäische Automarke hat man 7,7 Prozent Marktanteil. Übrigens wird der Logan in Russland als französischer Renault verkauft, weil Russen keine Rumänen mögen, wie man hört. Auch Skoda eröffnet in Kürze ein Werk nahe Moskau, überlässt die Billigschiene aber anderen und will gleich als Nobelmarke einsteigen. Insgesamt spielt sich bei Neuwagen aber noch nicht viel ab. Es werden in dem 150-Millionen-Einwohner-Land nur dreimal so viele Neuwagen verkauft wie in Österreich.

Gleichzeitig erstickt Japan in seinen Gebrauchtwagen. Japaner kaufen nämlich sehr gerne in sehr kurzen Abständen neue Autos. Die Lösung: Man verlädt die jungen Gebrauchten aufs Schiff, fährt damit nach Wladiwostok, den größten russischen Hafen am Pazifik, und überlässt die Autos dort ihrem Schicksal. In Markthallen und auf Plätzen werden sie dann gelagert, versteigert oder verkauft. Ein Auto, das in Wladiwostok 10.000 Dollar kostet, ist 4500 Kilometer weiter westlich in Irkutsk 13.000 Dollar wert. Das ist verlockende Arbitrage, die vor zwei Jahren anlief, als eine Straßenverbindung zwischen West- und Ostsibirien entstand. Diese Straße ist aber nach wie vor in Bau. Die Kernzone der längsten Straßenbaustelle der Welt zwischen Chita und Blagowschensk ist 1500 km lang. Man fährt fast ausschließlich auf Schotter, manchmal im Schritttempo, weil die Löcher so groß sind, manchmal mit 120 km/h, dass es nur so staubt.

Selbstabholer

Diese japanischen Gebrauchtwagen werden nur in verschwindend geringer Zahl per Transsibirische Eisenbahn oder per Lkw transportiert. Überwiegend werden sie von Überstell-Fahrern und Selbstabholern im Akkord und Rekordtempo über die Schotterpiste geprügelt, 3000 Autos täglich. Der Unterboden ist danach zumindest sandgestrahlt, wenn nicht schwer beschädigt. Damit Lack und Scheiben möglichst wenig von den Strapazen abkriegen, werden sie mit Folien und Karton verklebt, oft auch ein Teil der Windschutzscheibe.

Die russischen Geschäftsmethoden sind alles andere als zimperlich: Einer hatte schon während der Fahrt ein Schild montiert: "Angeliefert per Eisenbahn". Manche fahren sogar mit zwei Autos gleichzeitig, indem sie beim hinteren den Stoßfänger abschrauben, eine Deichsel an den Rahmen schweißen oder schrauben und die Lenkung in Geradeaus-Stellung blockieren. Und dann ziehen sie das zweite Auto, das oft gleich schwer ist wie das Zugfahrzeug, ungebremst Richtung Westen.

Autofahren ist in Russland generell eine wilde Angelegenheit. Es gilt de facto nur eine Verkehrsregel: das Recht des Stärkeren. Bis vor Kurzem noch war das nicht so schlimm, weil die Leute in wenigen, schwachen Ladas saßen. Heute pilotieren sie aber mit Vorliebe PS-starke Sechszylinder-Japaner - und die auch noch mit Rechtslenkung im Rechtsverkehr, was das Risiko beim Überholen nicht gerade senkt. Diese Autos beherrschen in Wladiwostok das Verkehrsbild zu 99 Prozent, mit sinkendem Anteil, wenn man westwärts fährt. (Rudolf Skarics aus Wladiwostok, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 1./2.9.2007)