Eine noch namenlose Art von madagassischen Feuertausendfüßern (Aphistogoniulus sp.)

Foto: K. Schütte, Zoologisches Institut und Museum Hamburg
Bonn/Hamburg - Bei einem aktuellen durch die Universität Antananarivo koordinierten Inventurprojekt im Südosten Madagaskars entdeckten zwei deutsche Doktoranden 43 bislang unbekannte Tierarten: Thomas Wesener aus dem Museum Koenig in Bonn fand insgesamt 29 neue Arten von Tausendfüßern, davon elf neue Arten von Riesenkugeltausendfüßern. Kai Schütte aus dem Zoologischen Institut und Museum Hamburg entdeckte acht neue Arten Stabschrecken, zwei Gottesanbeterinnen und vier Libellen.

Gefährdete Arten

Nur durch Zufall, heißt es in der entsprechenden Pressemitteilung, wurde eine der Stabschreckenarten gefunden: Sie befand sich in einer handvoll Laubstreu, welches als Futter für eine spektakuläre neue Art eines 15 Zentimeter langen, blutrot-schwarz gefärbten Feuertausendfüßers gesammelt wurde. Viele der erfassten Libellenarten werden Bestandteil der Roten Liste gefährdeter Arten sein, die von der Weltnaturschutzunion (IUCN) herausgegeben wird. Die bislang unbekannten Libellenarten wurden vor allem in einem abgelegenen Tieflandregenwald entdeckt. Diese Lebensräume sind selten geworden, da sie oft am einfachsten vom Menschen genutzt werden können.

Hintergrund

Die Tausendfüßer Madagaskars sorgen nicht nur durch das Fressen von totem Laub und Holz für eine unverzichtbare Humusproduktion als Nährstoff für den Wald, viele der neu entdeckten Arten kommen auch nur in einem sehr kleinen Verbreitungsgebiet vor, sind also mikroendemisch. Häufig fanden sich bereits im nächsten, wenige Kilometer entfernt liegenden Wald andere Arten.

Als Besonderheit Madagaskars gelten die sich zu einer kompletten Kugel einrollenden Riesenkugeltausendfüßer. Diese sehr alte Tiergruppe, deren Vorfahren bereits zur Zeit der Dinosaurier lebten, kommt mit besonders vielen einmaligen Arten auf Madagaskar vor. Die Tiere auf der Insel erreichen in einigen Arten die Größe einer Apfelsine und damit den Größenweltrekord.

Brennpunkt der Artenvielfalt

Ein besonders hoher Anteil an Tierarten kommt nur auf Madagaskar vor und ist stark gefährdet. Daher gehört der Inselstaat zu den zehn größten Brennpunkten der Artenvielfalt. Die Biodiversität ist im Untersuchungsgebiet besonders bedroht, da von den hier einzigartigen, verschiedenen Lebensräumen meist nur noch mosaikartige Reste existieren. Fast alle Wälder Madagaskars sind stark gefährdet. Schätzungen gehen davon aus, dass bereits 90 Prozent der natürlichen Vegetation Madagaskars seit Besiedlung der Insel durch den Menschen vor 2000 Jahren zerstört wurde.

Schreitet die Zerstörung im gleichen Ausmaß wie in der Vergangenheit fort, werden viele der Wälder und damit ihre einzigartigen Bewohner in zehn Jahren verschwunden sein, warnen Experten. Damit wären viele der nur dort vorkommenden Tierarten ausgestorben bevor sie überhaupt entdeckt werden. (red)