"Zentrales Thema der Studie war die Frage, wie Jugendlich heute mit ihrer Körperscham umgehen", so Mit-Autorin Klaudia Odreitz im Gespräch mit dieStandard.at. Die Jugendlichen sind mit einer Vielzahl von Ideal- und Zerrbildern von Nacktheit und Sexualität konfrontiert: "Diese produzieren nicht nur bei den Jugendlichen massenhaft Scham", weiß die diplomierte Pädagogin.
Schambegriff
In der Studie wird Scham als eine anthropologische Konstante bschrieben, die nicht erst in bestimmten Epochen entsteht. Zugleich ist sie jedoch auch historisch und geschlechtsspezifisch geprägt. Grundlegend für die interdisziplinär angelegte Studie war ebenso Hegels Schambegriff, der diese als "Wirkung der Liebe" beschrieb. Die Scham werfe den liebenden Menschen ob seiner Unvollständigkeit auf sich selbst zurück, beobachtete der Philosoph. Im Zusammenhang mit der eigenen "Minderwertigkeit" stehe der zur Scham gehörende Handlungsimpuls, entweder sich selbst oder Teile von sich selbst zu verbergen, so die Autorin.
Methode
Klaudia Odreitz und ihr Kollege Mario Obersteiner befragten die Jugendlichen anhand mehrerer standardisierter Fragebögen zu ihrem Schamgefühl und der Beurteilung ihres eigenen Körpers.
Zentrales Ergebnis: Annähernd 70 Prozent der Schülerinnen schätzen ihre körperbezogene Scham als "sehr stark" bis "ziemlich stark" ein. Bei männlichen Jugendlichen sind es nur etwa 30 Prozent, die so über ihren eigenen Körper empfinden. "Die Mädchen reagieren extrem stark auf Nacktheit, die nicht nur auf das weibliche Geschlechtsorgan bezogen ist, währenddessen die Burschen auf die Genitalscham mit höheren Schamrohwerten reagieren", erläutert Odreitz die Ergebnisse.
Geringer Selbstwert
Gleichzeitig haben die Jugendlichen einen sehr selbstkritischen Umgang mit ihrem Körper. "Sie vergleichen sich ständig mit dem in unserer Gesellschaft als Idealbild geltenden Körper, der aber aufgrund seiner Künstlichkeit nicht zu erreichen ist". Das Gefühl der Minderwertigkeit und der daraus resultierende geringere Selbstwert ist bei Mädchen ausgeprägter. Umgekehrt lässt sich feststellen, dass ein schlechteres Körperempfinden auch zu mehr Schamgefühlen führt.
Geschlechtsidentität
Bezüglich Geschlechtsidentität und Sexualverhalten zeigte sich, dass sich fast alle Jugendlichen im Körper, den sie haben, beheimatet fühlen. Fünf Prozent der Jungen und zehn Prozent der Mädchen gaben an, sich vom eigenen Geschlecht angezogen zu fühlen. Beide Geschlechter hielten den richtigen Zeitpunkt für den ersten Geschlechtsverkehr zwischen 14 und 16 Jahren für gekommen.
Etwas mehr als zwei Prozent der männlichen Jugendlichen machten in ihrer Kindheit Missbrauchserfahrungen, hingegen fast neun Prozent der Mädchen. Weiters sprachen 12 Prozent der Jungen und 14 Prozent der Mädchen von "unangenehmen Berührungen", denen sie in ihrer Kindheit ausgesetzt waren.
Körperakzeptanz
Interessante Ergebnisse zeigten sich auch in Bezug auf die Körperakzeptanz des/ der SexualpartnerIn. Während sich fast alle Jugendlichen (Jungen wie Mädchen) vor ihren eigenen Körperflüssigkeiten ekeln, werden diejenigen des/der PartnerIn nicht als unangenehm wahrgenommen. Die Frage, ob sie sich von ihrem/ihrer PartnerIn körperlich akzeptiert fühlen, bejahten sowohl Jungen als auch Mädchen ausdrücklich.
Während beide Geschlechter den Körper ihres/ihrer PartnerIn "sehr mögen", zeigte sich bei der Zufriedenheit mit dem eigenen Erscheinungsbild wieder ein großer geschlechtsspezifischer Unterschied. Jungen äußerten sich wesentlich zufriedener mi dem eigenen Körper als Mädchen.