Verurteilt "Kastendenken" in der österreichischen Filmszene: "Oktoskop"-Moderator Robert Buchschwenter.

Foto: STANDARD/Corn
Mit dem Filmmagazin "Oktoskop" führt Wiens Bürgersender Okto einmal pro Woche vor, was dem ORF fehlt: ein eigenes Filmmagazin, das sich um die heimische Independent-Szene kümmert. Robert Buchschwenter moderiert die Sendung mit Minibudget und viel Einsatz.

***

Wien - Vor Robert Buchschwenter liegt ein Packerl kubanische Zigaretten. Die etwas streng riechende Rauchware hat er vom Urlaub ebenso mitgebracht wie eine Erkenntnis: "Man hört immer, die Kubaner sprechen nicht über die politische Situation", erzählt er. "Das stimmt nicht. Alle, mit denen ich gesprochen haben, waren total auskunftsfreudig."

Das wiederum könnte an der Person Robert Buchschwenter liegen. Seit Dezember 2005 moderiert er sonntags um 20 Uhr gemeinsam mit Lukas Maurer im Wiener Bürger-TV Okto das Filmmagazin "Oktoskop" - und für gewöhnlich schafft er es im Handumdrehen, dass seine Interviewpartner drauflosplaudern wie die ansonsten als verschlossen geltende kubanische Bevölkerung.

Film und Gespräch

"Oktoskop" ist in dieser Form das einzige Filmmagazin in Österreich. Der ORF will dem Kino keine eigene Sendung zugestehen und verbannt Berichte darüber in die "ZiB"s oder in "lebens.art". Umso lohnender ist Buchschwenters Konzept: Er zeigt einen oder mehrere Filme vorwiegend österreichischer Herkunft und lädt den Regisseur zum Gespräch ein. Das ist so einfach wie in einer von jeglicher Diskussionskultur entwöhnten Fernsehlandschaft ungewöhnlich genug.

Mit einem Minibudget von 300 Euro pro Sendung holt sich der 43-jährige Südtiroler Filmgrößen wie Ulrich Seidl, Erwin Wagenhofer, Wolfgang Murnberger, Barbara Albert, Kathrin Resetarits oder Mirjam Unger ins Studio. Daneben stellt er junge Filmemacher vor.

300 Euro pro Sendung

"Filme zeigen, was auch immer" lautete die Vorgabe, die Buchschwenter 2005 von Okto bekam. Das erwies sich als schwierig genug, wenn man für den Rechteerwerb nicht mehr als besagte 300 Euro zur Verfügung hat. Trickreich besorgt er sich die Streifen: Die Bereitschaft der Regisseure über ihre Werke zu sprechen, sei "in jeder Liga" groß. An die von Verleihern organisierte Szene heranzukommen ist aber ohne Geld so gut wie unmöglich. Also konzentriert sich Buchschwenter auf die Nischen: Von Seidl kommt dann eben nicht Hundstage ins Fernsehen, sondern dessen freie Doku Der Ball. Oder von Murnberger eben nicht Silentium, sondern der Essay-Film Himmel oder Hölle. Cineasten schätzen beide Filme als rare Schätze. Buchschwenter kam 1988 nach Wien, ist Drehbuchberater, unterrichtet an der Universität Salzburg Filmanalyse, leitet Workshops. In den zwei Jahren seines Bestehens hat Okto eine kleine, aber feine Fangemeinde um sich versammelt. Zu empfangen ist Österreichs erstes nicht kommerzielles Fernsehen im Wiener Telekabel auf Kanal 8. Die Bundeshauptstadt finanziert den Sender jährlich mit 980.000 Euro.

Offizielle Zuschauerzahlen von "Oktoskop" gibt es keine. "Ich weiß aber, dass die Sendung viele kennen und gut finden. Weil viele vom Mainstream-Fernsehen genug haben." Hoffnungen, über digitales Antennen-TV bald österreichweit zu senden, wurden vorerst gedämpft. Die ORF-Sendertochter ORS lehnte das Bürgerfernsehen ab. Inzwischen beantragte Okto bei der Medienbehörde einen Prüfantrag wegen Intransparenz des Auswahlverfahrens ein.

Natürliche Grenzen

Buchschwenter ist in Österreich ebenfalls an seine Grenzen gestoßen. Die meisten Filmemacher waren schon zu Gast, der Pool an freien Filmen ist langsam ausgeschöpft, und ausländische Filme sind schwierig zu organisieren. Wieder mangelt es am Geld: "Es wäre schön, wenn wir das Budget hätten, um Leute einfliegen zu können."

Bei "The Big Lebowski" stehen die Chancen schlecht. Was schade ist, denn der Kultfilm der Brüder Joel und Ethan Coen ist Buchschwenter absoluter Lieblingsfilm: "Der ist so unglaublich versponnen, hat gleichzeitig eine Spannungsdramaturgie, die wie am Schnürchen funktioniert. Alle haben Marotten und sind dabei so liebenswert."

Kunst und Kommerz

Am österreichischen Film stört ihn das Kastendenken zwischen Kunst und Kommerz: "Sobald der kommerzielle Erfolg kommt, ist man bei manchen unten durch. Man darf es sich zum Beispiel nicht leisten, Harald Sicheritz gut zu finden. Ich halte ,Hinterholz 8' für einen sehr gelungen, witzigen und auch berührenden Film." Der ORF trage seinen Teil dazu bei, wenn er anspruchsvolle Kost im Nachtprogramm versteckt.

Avantgardistische Ambitionen junger Regisseure verurteilt er: "Sie glauben oft, sie müssen möglichst schwer verständlich und ohne Struktur erzählen, damit es Anspruch hat. Blödsinn." Eine Geschichte gut zu erzählen, darauf legt Buchschwenter Wert: "Ich weine gern im Kino."

Und was, wenn der ORF käme und sein Filmmagazin übernehmen wollte? Buchschwenter lacht, Okto-Pressesprecherin Renate Billeth, die mitgekommen ist, hält sich die Ohren zu. Unnötig, wie sich zeigt, denn auch angesichts eines bis dato ausgebliebenen "unmoralischen Angebots" bleibt der Moderator unbeeindruckt: "Nur wenn ich machen darf, was ich will." (Doris Priesching/DER STANDARD; Printausgabe, 29.8.2007)