Boom

Das Internet als virtuelle Welt der unbegrenzten Möglichkeiten - eine Vorstellung die zwar für Techno-Romantizismen aller Art tauglich ist, in vielen Bereichen aber schlicht an simplen physischen Realitäten scheitert. Der primäre begrenzende Faktor heißt in diesem Kontext "Bandbreite": Durch eine 56k-Modem-Leitung lassen sich nun mal nur eine sehr begrenzte Menge an Daten quetschen - ein Umstand, der eine ganze Reihe von Anwendungen von vorneherein ausschließt.

Nachgerüstet

Glücklicherweise steht die Zeit aber auch in diesem Bereich nicht vollkommen still und so werden breitbandige Internet-Zugänge zumindest in Nordamerika, Europa und Teilen Asiens mehr und mehr zur Normalität. Und wo Bandbreite ist, will diese auch verwendet werden. Da sich so eine 8 MBit-Leitung von Internet-Radio und Co. kaum mehr beeindrucken lässt, muss da schon etwas Neues her, also heißt das neue Boom-Thema: Video.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Miro

Und so schickt sich im Gefolge des YouTube-Erfolgs eine halbe Armada neuer Services dazu an, unsere Sehgewohnheiten zu verändern: Joost, Zatoo, VeohTV, BabelGum und WiTV sind nur einige Beispiele für gerade in der Testphase befindliche Services in diesem Bereich.

Kapital

Während all die zuvor genannten derzeit vor allem einmal damit beschäftigt sind, ein funktionierendes Geschäftsmodell rund um ihr Angebot aufzubauen geht es bei "Miro" um etwas anderes: Von der Non-Profit-Organisation "Participatory Culture Foundation" entwickelt, konzentriert man sich primär um die Umsetzung von netzpolitischen Zielen. Immerhin habe Online-Video die Chance eine "echtes" Massenmedium zu werden, bei dem jedeR eine Stimme haben kann, so die Überzeugung der MacherInnen.

Push

Etwas das man mit der eigenen Software aktiv befördern will. Da man nicht von Aktienkursen oder Risikokapitalfirmen abhängig ist, könne man die BenutzerInnen immer an erste Stelle setzen, streicht man den Unterschied zu anderen Unternehmungen, die vor allem an Kooperationen mit großen Medienkonzernen interessiert sind, heraus.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Demokratie

Bis vor kurzem machte sich dieser Schwerpunkt auf die "Freiheit" auch noch im Namen der Software selbst bemerkbar. Doch mit der aktuellsten Release wurde der einstige "Democracy Player" in "Miro" umgetauft.

Open Source

Dass die Software auf Open Source-Basis entwickelt wird, versteht sich bei solchen einem Ansatz beinahe von selbst. Dies hat aber auch den Vorteil, dass man nicht alles neu "erfinden" muss, sondern auf bestehenden Lösungen aufsetzen kann. So verwendet Miro unter anderem Bestandteile von Mozilla/Firefox, Bittorrent oder auch die xine-lib als Abspielengine.

Auswahl

Als Plattformen unterstützt man offiziell Windows, Mac OS X und Linux. Zum Zeitpunkt des Tests ist die Public Preview 1 (0.9.8.1) aktuell, die Version 1.0 soll - wenn alles gut geht - schon bald folgen.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Demokratie

Herzstück von Miro ist der Channel Guide: Hier lässt sich durch das aktuelle verfügbare Angebot stöbern, mehr als 2.200 solcher Channels stehen hier bereits zur Verfügung - täglich werden es einige mehr.

Auswahl

Die Bandbreite des Gebotenen ist dabei erfreulich weit gestreut. Neben den Video-Podcasts der deutschen Tagesschau oder von NBC stehen gleichberechtigt AktivistInnen-Channels wie das tägliche "Democracy Now!".

Abspielen

Im Gegensatz zu YouTube gibt es hier kein fixes Video-Format, Miro kann so ziemlich alles abspielen, was man ihm vorwirft, seien es Quicktime-Dateien, Windows-Media-Files oder auch Flash-Filmchen. Auch eine zunehmende Zahl von Channels mit HD-Content finden sich im Angebot.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Basics

Im Gegensatz zu Joost & Co. setzt Miro nicht auf Streaming, statt dessen werden alle ausgewählten Videos direkt auf die Festplatte heruntergeladen. Doch bevor wir uns in Details verlieren, vielleicht zuerst einmal ein paar grundlegende Erklärungen zur Funktionsweise der Software.

RSS

Die einzelnen Channels sind eigentlich nichts anderes als RSS-Feeds, wie sie auch bei News-Feed-Readern verwendet werden. Abonnierte Channels werden im Interface links angezeigt, dabei signalisiert eine blaue Ziffer, ob und wenn ja wie viel frisches Material seit dem letzten Start der Software hinzugekommen ist.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Channel-Fragen

Wer will kann dann auf die jeweilige Channels gehen und einzelne Episoden gezielt herunterladen. Freilich lässt sich das auch automatisieren, so dass der gesamte Content eines Kanals selbsttätig im Hintergrund bezogen wird.

Download

Filme, die gerade heruntergeladen werden, kennzeichnet das Programm mit der Farbe orange. Dies zeigt sich nicht nur in den einzelnen Kanälen, eine eigene Download-Ansicht bietet die nötige Übersicht.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Neues

Einmal fertig heruntergeladen landet alles in der "New-Video"-Ansicht des Programms, versinnbildlicht durch die Farbe Grün. Hier lassen sich die Videos nicht nur abspielen, sondern auch weitere Informationen anzeigen.

Sharing

Natürlich dürfen auch diverse "soziale" Features nicht fehlen, so kann man etwa einzelne Videos direkt an Freunde empfehlen oder auch auf Digg darüber posten. Außerdem können hier auch Videos bei Nichtgefallen gleich wieder gelöscht werden, oder das Umgekehrte getan werden: Zum Behalten markieren.

Platz

Denn von Haus aus werden abonnierte Filmchen nach einigen Tagen automatisch wieder gelöscht. Angesichts dessen, dass bei einer Vielzahl von abonnierten Channels sonst flott die Festplatte überquellen würde, wohl nicht die schlechteste Idee.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Suche

DAS Killerfeature von Miro ist aber etwas anderes: Man ist nämlich keineswegs auf die vorgefertigten Channels beschränkt. So lassen sich über eine Suche bei diversen Services eigene Kanäle definieren.

Abo

Auf diese Weise können dann etwa automatisch alle mit einem bestimmten Stichwort versehenen Filme von YouTube heruntergeladen werden. Zu den weiteren unterstützten Angeboten gehören unter anderem das Veoh Video Network, blip.tv oder auch Daily Motion.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Playlist

Ein weiteres Feature: Aus all den heruntergeladenen Filmen können recht einfach eigene Playlists erstellt werden. Ebenfalls ist es möglich lokale Videos einzubinden, so kann etwa ein Ordner auf der heimischen Festplatte als eigener Channel dargestellt werden.

Pluspunkt

Eine der großen Stärken des Programms ist definitiv das Interface des Programms. Es ist gleichermaßen einfach wie intuitiv gestaltet, so dass es ein leichtes ist sich zurecht zu finden, die Farbkodierung trägt ein weiteres zur BenutzerInnenfreundlichkeit bei.

Steuerung

Das eigentlich Abspielen wird wie gewohnt über eine Steuerzeile am unteren Rand des Players kontrolliert. Einen eigenen Full-Screen-Modus gibt es natürlich auch.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Selber machen

Doch das Betrachten von Videos ist nur die eine Seite des Contents, Miro hat es sich aber auch zur Aufgabe gemacht, die andere zu fördern. So hat man auf einer eigenen Seite unter dem Motto "Make Internet TV" eine Reihe von Tipps versammelt, die bei der Erstellung von eigenem Material helfen.

Schritt für Schritt

Dies reicht von der Wahl des richtigen Equipments über Tipps beim Filmen bis zu hilfreichen Hinweisen für die Publizierung des erstellten Materials. Zusätzlich bietet man mit der Broadcast Machine eine eigenes Stück Software an, dass beim Publizieren helfen soll. Allerdings wird diese derzeit nicht mehr aktiv entwickelt, hat also eine eher unsichere Zukunft.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Fazit

Jenseits des Hypes rund um Services wie Joost oder Zatoo erfreut Miro mit seinem simplen Zugang zum Thema Internetfernsehen. Vollständige TV-Serien der großen Studio oder gar Hollywood-Blockbuster wird man im Angebot des Players wohl dauerhaft vermissen, aber das ist ja auch gar nicht der Fokus der Software.

Community

Statt dessen überzeugt Miro als optimaler Player für all das was unter den Begriff "Community-TV" subsumiert werden könnte, und bei anderen Services wohl im Werbewust auf der x-ten Unterseite untergehen würde. Und selbst wenn man den netzpolitischen Selbstermächtigungs-Ansatz weglassen würde, bliebe noch immer ein ziemlich guter Videoplayer mit einem gelungenen Interface und hervorragender Netz-Service-Integration übrig. Also: Ausprobieren ausdrücklich empfohlen. (Andreas Proschofsky)

Screenshot: Andreas Proschofsky