Es war vorgestern. Da wollte ich dann überprüfen, ob ich mich in den letzten Wochen und Monaten vielleicht doch verhört hatte. Schließlich beherrsche ich als gebürtiger Wiener die Kunst des Weghörens und Weghörens ja auch ganz gut.

Und weil genau das in Sachen öffentliches Drogenverchecken von den ansonsten jede Form des Nichtsoforteinschreitenswennetwasnicht- hundertprozentpolitischultrakorrektist reflexartig als böse, verwerflich, faschistoid oder zumindest irgendwie-istisch geißelnden Permapostern mit Abonnement auf absolute Rechtschaffenheit & Wahrheit zuletzt gleich mehrfach als einzig richtiges und daher wünschenswertes Zivilgesellschafts-Verhalten beschrieben wurde, gestehe ich hiermit: ja, auch ich habe im Stadtpark schon weggehört, wenn mir jemand was zugezischelt hat.

Kein Unterschied

Meistens war das gar nicht schwer. Denn in der Regel komme ich an dem Dealer-Eck ohnehin nur vorbei, wenn ich Laufen bin. Und so dumm, einen Jogger wegen Kleingeld, NGO-Dauerspendenauftrag oder Drogen anzureden, sind weder Mariahilferstraßenpunks noch Greenpeacekeiler noch Drogenhändler. (Und ich nehme hiermit kommentarlos zur Kenntnis, dass es den wahrhaft offenen Geist auszeichnet, in Polizisten pauschal Schläger und Rassisten zu erkennen, zwischen den oben genannten Bevölkerungsgruppen aber keine Differenzierung vorzunehmen).

Obwohl: Ab und zu hat da schon einer was gezischelt. (nein, nicht die Schnorr-Punks und NGO-Geldeintreiber). Und wenn ich dann die iPod-Stöpsel aus dem Ohr zog, um das Zischeln zu verstehen (auch wenn ich mir dabei meist dachte, dass ich wohl eh nur nicht verstanden hatte, was ich nicht verstehen wollte), und fragend schaute, kam – zumindest in meiner Erinnerung - immer das selbe Wiederholungszischen: „Brauchstwas? DopeTripsKoksEitsch?“ Aber weil ich ein guter Bürger dieser Stadt bin, habe ich dann immer wort- und kommentarlos die Ohren wieder zugestöpselt und bin weiter gelaufen. (Einmal, glaube ich, hörte ich noch einen zweiten Dealer seinen Kollegen rügen: „Oida, bist ang´rennt? Soana kauft do ned!“)

Mangelhaft

Aber ich gebe zu: meine Recherchen waren mangelhaft. Ich habe nie bewusst auf das Gezischel geachtet. Und deswegen habe ich dann vorgestern auf den MP3-Player verzichtet (ok, nicht nur wegen der Dealer: wenn ich mit dem Hund laufen gehe, habe ich ganz gern die Ohren frei). Und als wir dann bei Kilometer zwölf (das ist auf meiner Route der Eingang zum Stadtpark) waren, habe ich ein betont freundliches Gesicht aufgesetzt, den Hund um sein fröhlichstes Lauf-Hecheln gebeten - und bin dann drei Stadtparkrunden gelaufen.

Beim ersten Mal wichen die Dealer nur aus. Keiner zischelte. Vor dem Strauß-Denkmal zog ich dem Hund den Beißkorb über. Bei der zweiten Runde zischelte einer: „Brauchstwas?“ Ich tat, als hieße ich Strunz – und zog ein Grinsen auf, das schon fast schmerzhaft war. Bei der dritten Passage zischelte mir ein ganzer Chor entgegen: „DopeTripsKoksEitschEcstasy“.

Schwerer Fehler

Ich ließ mein Grinsen fallen, zog dem Hund den lästigen Beißkorb ab und trabte weiter: Ich hatte ich als doch nicht verhört. Erst daheim, unter der Dusche, fiel es mir wie Schuppen von den Augen: Ich hatte schon wieder schlecht recherchiert. Den Postervorwurf, dass im Stadtpark doch ohnehin nur Oregano und andere harmlose Küchenkräuter verkauft würden, kann ich schon wieder nicht entkräften – schließlich kann ich ja noch immer nicht beweisen, dass die jungen Männer im Park tatsächlich verkaufen können, was sie im Angebot zu haben zischeln: Ich habe mir die Ware ja nicht zeigen lassen!

Aber im Grunde ist das ohnehin egal. Schließlich verstößt es gegen die urbane Etikette, öffentlichen Drogenhandel überhaupt wahrzunehmen – und nur ein echter Spießer käme auf die Idee, da „das finde ich aber jetzt nicht so super“ zu sagen. (Thomas Rottenberg, derStandard.at, 20. August 2007)