Alpbach - Migrantenkinder der zweiten und dritten Generation leiden in Wien unter einem massiven Bildungsproblem, warnte der Migrationsforscher Bernhard Perchinig von der Akademie der Wissenschaften am Rande des Forum Alpbach. Zwei Drittel der AMS-Klienten ohne Schulabschluss in der Bundeshauptstadt seien Zuwandererkinder. Er sieht dringenden Handlungsbedarf im Schulsystem, das keine Rücksicht auf kulturelle und sprachliche Unterschiede nehme.

"Unser Schulsystem ist ein Abschiebesystem", kritisierte Perchinig, der beim Forum Alpbach im Rahmen der Architekturgespräche über die Wiener Integrationspolitik referierte. Viel zu oft sei es der Fall, dass Lehrer schlechte Sprachkenntnisse als mangelnde Intelligenz werten würden: "Wir schieben immer nach unten ab und der Rest landet dann in der Sonderschule."

"Mehr in Schulqualität investieren"

Die Tendenz sei zwar dem generellen Schulsystem geschuldet, gerade Wien müsse hier aber selbst aktiv werden, regte er: "Die Stadt könnte mehr in die Schulqualität investieren und auch klare Signale setzen, wie wichtig Schulbildung auch für die zweite und dritte Generation ist." Denkbar wäre auch ein Stipendiensystem für sozial schwache Schichten: Damit könnten nicht nur für Migranten nach wie vor bestehende Bildungshürden abgebaut werden, meint Perchinig. Schließlich werde auch bei Österreichern nach wie vor sehr oft der Bildungsgrad von den Eltern "vererbt".

Die Folge seien Einbußen bei den öffentlichen Volks- und Hauptschulen in der Bundeshauptstadt: "Die Mittelschichten holen ihre Kinder aus diesen Schulen heraus, weil sie Angst haben davor, dass die Ausbildung nicht funktioniert." Keine unberechtigte Angst, findet der Migrationsexperte: Schließlich seien diese Schulen immer noch auf eine homogene österreichische Bevölkerung ausgerichtet, die unter anderem über entsprechende Sprachkenntnisse verfügt.

Verpflichtenden Kindergärten

Als Lösung reine Ausländerklassen zu installieren, lehnt Perchinig allerdings ab, da dies nur zu einer Segregation führe. Vielmehr solle man bereits im Kleinkindalter für Sprachkompetenzen sorgen: "Wichtig wäre es, Anreize zu setzen, damit Kinder mit Migrationshintergrund auch den Kindergarten besuchen, um die Sprache zu erwerben - und zwar nicht ein Jahr, wie das jetzt geplant ist, sondern schon ab dem dritten und vierten Lebensjahr." Ein Modell wie in den Niederlanden, wo bereits ab diesem Alter eine Art Schulpflicht eingeführt wurde, wäre nach seiner Ansicht auch in Wien sinnvoll. (APA)