Ein Selbstporträt, um 1780, heute in der St. Petersburger Eremitage.

Angelika Kauffmann. Ein Weib von ungeheurem Talent
14.Juni bis 9.September 2007 täglich 10-20 Uhr
sowie:
11.September bis 5.November 2007 Di-So 10-17 Uhr, Do 10-20 Uhr
Vorarlberger Landesmuseum
Kornmarktplatz 1, A 6900 Bregenz
Foto: STANDARD

Bild nicht mehr verfügbar.

Den Metamorphosen des Ovid entlehnt: "Kephalos und Prokris mit Amor" malte Angelika Kauffmann 1799.

Link
Angelika Kauffmann Museum
Brand 34, 6867 Schwarzenberg
Foto: APA
"Ich rechte mit den Göttern nicht; allein der Frauen Zustand ist beklagenswert." Am 18. Februar 1787 sitzt Goethe in Rom im Salon von Angelika Kauffmann und liest seine Iphigenie vor. Angelika nimmt das Stück, wie Goethe sich in seiner Italienischen Reise erinnert, "mit unglaublicher Innigkeit" auf und verspricht dem Autor eine Zeichnung dazu. Angelika Kauffmann, so schreibt der Dichter am Tag darauf Charlotte von Stein, sei "eine treffliche, zarte, kluge, gute Frau" und seine "beste Bekanntschaft in Rom".

Reichtum "ermalt"

Angelika Kauffmann hat in ihrem Leben mehr als 600 Gemälde und zahllose Zeichnungen geschaffen, die in ganz Europa gesammelt und als Drucke - aber auch auf Kommoden, Teetassen, Fächern - reproduziert wurden. "Mein Reichtum", schreibt sie ihren Verwandten im Bregenzerwald, "besteht in meiner täglichen Arbeit", und Angelika hat sich für ihre Zeit, ihre Herkunft und ihr Geschlecht einen außerordentlichen Wohlstand ermalt, von dem auch ihr Vater und später ihr Ehemann komfortabel lebten. Als sie am 5. November 1807 starb, wurde ihr Sarg in einem prunkvollen Trauerzug durch Rom geleitet, das desgleichen seit Raphaels Begräbnis nicht mehr gesehen hatte, und einige Monate später wurde Angelikas Büste im Pantheon aufgestellt.

Zweihundert Jahre sind in historischen Dimensionen keine lange Zeit, und so ist einiges über Angelika Kauffmanns Leben bekannt. Sie wurde am 30. Oktober 1741 in Chur geboren. Ihr Vater, Johann Joseph, war ein mittelmäßiger Maler, förderte aber seine talentierte Tochter. Angelikas Mutter Cleophea hätte sie wohl gern als Sängerin gesehen, und Angelika sang mit Begeisterung ihr Leben lang an Abendunterhaltungen für Freunde und Gäste. Doch der frühe Tod der Mutter 1757 und vielleicht auch die Angst vor dem lockeren Lebenswandel einer Sängerin ließ das katholische Mädchen der züchtigeren Muse mit Pinsel und Palette folgen, wie Angelika es 1792 rückblickend in ihrem Selbstbildnis am Scheideweg zwischen Musik und Malerei darstellte.

Als der Vater ihr nichts mehr beibringen kann, reist er, von adligen Gönnern unterstützt, mit seiner Tochter nach Italien, wo sie in den Galerien die großen Meister kopiert, wenn auch von ihren männlichen Kollegen getrennt in einem separaten Raum. In Rom entstehen die ersten ihrer bedeutenden Porträts, das des Altertumsforschers Johann Joachim Winckelmann etwa. Ihr Bild des englischen Schauspielers David Garrick wird nach London geschickt und weckt dort das Interesse an der jungen Malerin. 1766 lässt der Vater die nun 25-Jährige in der Obhut von Lady Wenthwort nach England reisen, wo Angelika sich innert kürzester Frist einen Namen als Porträtistin macht. "Nie ist je einem anderen Maler solche Ehre widerfahren", schreibt sie, nachdem die Königinmutter sie in ihrem Atelier besucht hat.

Gründungsmitglied der Royal Academy

Ermutigt von Joshua Reynolds, dem führenden Maler Londons, wagt Angelika sich auch an historische und mythologische Themen, die als höchste Form der Malerei im Allgemeinen ihren männlichen Kollegen vorbehalten sind. 1768 wird sie Gründungsmitglied der Royal Academy und bleibt, zusammen mit der dank ihres Vaters aufgenommenen Mary Moser, die einzige Frau in der Akademie bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Bereits ein Jahr nach Angelikas Ankunft in London hat sie sich in einem Haus am Golden Square etabliert, und ihr Vater kommt nach. Er hilft ihr im Atelier, bis er 1781 Angelikas Heirat mit Antonio Zucchi arrangiert, einem ebenso mittelmäßigen, venezianischen Vedutenmaler, der 15 Jahre älter ist als Angelika und die Aufgaben des nun kränkelnden Vaters übernimmt. Im gleichen Jahr kehrt Angelika mit Zucchi nach Rom zurück und lebt dort bis zu ihrem Tod.

Neben den historischen Fakten sind Angelikas Bilder ein Schlüssel zu ihrer Person, so wie jedes Produkt etwas über den Produzenten sagt. Allein, die Malerin war sich dessen bewusst, und ein Teil ihres Erfolges beruht darauf, dass sie sich stets in den Schatten ihrer Bilder gestellt hat. Als eine der ersten "Celebrities" hat Angelika Kauffmann ihre Berühmtheit gesteuert. Sie hat darauf geachtet, was von ihrem Privatleben in die Öffentlichkeit drang, die sich damals gerade in einer an Kulturklatsch interessierten Presse zu artikulieren begann. Gewiss war dies als Frau in ihrer Zeit unabdingbar, wollte sie nicht in Verruf kommen, ihre Karriere, ihre Existenz gefährden, und indem sie vor ihrem Tod einen großen Teil ihrer Korrespondenz verbrannte, hat sie sich auch vor der Neugier der Nachwelt geschützt.

"Kultivierteste Frau Europas"

So ist das Bild, das wir heute von Angelika Kauffmann haben, kaum differenzierter als das ihrer Zeitgenossen: eine außerordentlich erfolgreiche Malerin, die ihr Leben mit Malen zugebracht hat. Selbst wenn wir hinzurechnen, dass Angelika kurzfristig einem Heiratsschwindler zum Opfer gefallen ist und sie mehr als nur Freundschaft mit Goethe verband - beides liegt im Bereich der Spekulation -, reicht das doch nicht aus, um den Zauber zu erklären, den sie offenbar ausstrahlte. Denn die Welt hat Angelika geliebt, ihre ZeitgenossInnen haben sie verehrt. Nicht nur Goethe, der sie die erste Malerin des Jahrhunderts, Herder, der sie die kultivierteste Frau Europas nannte. Jeder, so scheint es, der ihr begegnete, war entzückt von Angelika.

Als junges Mädchen in Schwarzenberg, der Heimatgemeinde ihres Vaters, in deren Kirche sie eine Reihe von Apostelporträts malte, signierte die 16-Jährige noch selbstbewusst in die aufgeschlagene Bibel des Heiligen Matthäus mit vollem Namen. Danach vermischen sich Gelebtes und Gemaltes mehr und mehr zu dem Ideal, das die Männer ihrer Zeit in ihr sahen, dem Inbegriff der Empfindsamkeit, jener viel gepriesenen "schönen Seele" als deren Vorbild Angelika gedient haben mag, Verkörperung einer vollkommenen Weiblichkeit - vollkommen ungefährlich.

Ob Angelika die Verehrer in ihrer Jugend vorsätzlich auf Distanz hielt oder diese vor der Bestimmtheit, mit der die junge Frau der Malerei nachging, zurückschreckten, lässt sich nicht sagen. Tatsache ist, dass sie bis zu ihrem 40. Lebensjahr die brave Tochter blieb, und die heimliche Heirat, die sie in dem einen Jahr, in dem sie ohne Vater in London lebte, einging, wurde wenige Monate nach dessen Ankunft geschieden. Frederic Graf de Horn sei ein Hochstapler, ein Bigamist gewesen, und als die Gerüchte ihn aus London vertrieben hatte, erfuhr man - wohl auch aus dem Mund von Angelikas Vater - dass er gar nicht in der Lage gewesen sei, eine Ehe zu konsumieren. Auch ihre späte Verbindung mit Antonio Zucchi galt als Vernunftehe, ließ ihre Unschuld unangefochten. Diese aber, so Herder, verlieh ihren Gemälden den "himmlischen Glanz", der, einst so geschätzt, uns heute oft als süßliche Gefälligkeit erscheint und ihre Bilder in Museumslager verbannt. Obwohl die Künstlerin auf der Hundertschilling-Note in unzähligen Taschen herumgetragen wurde, sind ihr Name und mehr noch ihre Werke nur wenigen bekannt.

Die ZeitgenossInnen, die Angelikas Arbeit rühmten, fühlten sich durchwegs bemüßigt, auf ihre Geschlecht hinzuweisen, allen voran Goethe, der beteuerte, dass sie ein "als Weib wirklich ungeheures Talent habe", und man schätzen müsse, "was sie macht, nicht, was sie zurücklässt". In dem Porträt, das Angelika von ihm malte, sah er "immer einen hübschen Burschen", aber keine Spur von sich. Angelika war enttäuscht über die Kritik des Freundes, fand das Bild selbst nicht gelungen. Allein, sosehr sie sich dem Geschmack ihrer Zeit fügte, so wenig gelang es ihr wohl, ihre ersten Lektionen zu vergessen. Als Kind, lange bevor sie verstand, wen sie malte, Name und Rang ihrer Modelle einschätzen konnte, hatte sie gelernt zu malen, was sie sah, und der verletzliche junge Mann mit dem weichen Mund wird dem realen Goethe weit mehr entsprochen haben als der zur gleichen Zeit in großer Pose von Tischbein porträtierte Dichterfürst. Gerade in dem von Goethe geschmähten Porträt aber wird deutlich, was Angelika Kauffmann über alle Moden hinweg zur großen Künstlerin macht: ihr unbestechliches Auge. Und vielleicht war ihre Fähigkeit, die Menschen nicht nur zu sehen, sondern sie auch als das, was sie sah, zu akzeptieren, der Ursprung des Zaubers, den Angelika auf ihre Umwelt ausgeübt hat.

Es ist Herder, der Angelika 1798 auf einem Ausflug nach Tivoli aus Goethes Torquato Tasso vorliest, in dem Leonore sagt: "... wir scheinen den Mann zu lieben, und wir lieben nur mit ihm das Höchste, was wir lieben können." (Gabrielle Alioth, DER STANDARD, Print, 18./19.8.2007)