Wien – "Der Wiener ist von Grund auf ein Mensch, der ang’fressen ist." – Das habe die gebürtige Oberösterreicherin Stefanie Aichinger schnell herausgefunden, als sie vor sieben Jahren nach Wien kam. Und durch den Job, den sie seit vier Jahren ausübt, hat sie das nur allzu oft am eigenen Leib erfahren müssen.

Um ihr Studium zu finanzieren, arbeitet die 27-Jährige als Straßenwerberin für die Fundraising-Agentur "talk 2 move". Während des Semesters wirbt die Publizistik- und Geschichtestudentin zwei- bis dreimal pro Woche für die Mitgliedschaft bei NGOs wie Greenpeace, Amnesty International, Vier Pfoten oder Pro Juventute. Auch wenn ihr "Herz bei Amnesty" ist, sei es kein Problem, für so viele Organisationen engagiert zu sein. In einer Schulung lernen die Werber Details über Geschichte, Erfolg und Ziele der NGOs, außerdem absolvieren sie ein Gesprächstraining. Was für die Studentin das geringste Problem war: Mit den Worten "Du redest ohnehin den ganzen Tag – das ist ein Job für dich", empfahl ihr ein Freund, sich zu bewerben.

"Damals hab ich den Job begonnen, weil ich Geld gebraucht habe und nicht länger vom Überziehungsrahmen meines Kontos leben konnte", erzählt sie und fügt hinzu: "Wenn man es nur des Geldes wegen macht, hört man bald wieder auf." Leuten, "die nahe am Wasser gebaut sind und sich das, was die Leute sagen, zu sehr zu Herzen nehmen", rät Aichinger von dem Job ab. Denn teilweise müsse man sich "sehr viel von den Leuten anhören". Erst diese Woche wurde die junge Frau von einem Mann im Pensionsalter ordinär beschimpft. "Der ist nach zwei Stunden wieder gekommen und hat sich entschuldigt". Beschimpft wird die Werberin regelmäßig, und auch gerempelt. "Bespuckt wurde ich selbst noch nicht."

Das schlechte Image ihrer Arbeit führt Aichinger darauf zurück, dass es immer Werber gebe, die sich nicht korrekt verhalten. "Gott sei Dank sind das zur Zeit aber nicht zu viele, und nicht in meinem Team."

Lebensaufgabe

Die begabte Rednerin war von Anfang an erfolgreich, mittlerweile leitet sie ihre eigene Gruppe, und auch nach der Uni kann sie sich die Zukunft im NGO-Bereich vorstellen. Mit Ende des Studiums will sie jedenfalls für ein paar Monate ins Ausland gehen und sich für ein Entwicklungshilfeprojekt engagieren. "Das würde mich wirklich interessieren, denn ich habe selbst ein Patenkind in Swasiland." (Tanja Traxler, DER STANDARD-Printausgabe, 14.8.2007)