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EU-Kommissarin Ferrero-Waldner nach der Freilassung der Bulgaren in Sofia mit zwei der Betroffenen, der Schwester Nassja Nenowa (li.) und dem Arzt Ashraf Al-Hadjujj.

Foto: AP
Im Drama um die in Libyen gefolterten Krankenschwestern könnte sich die Europäische Union für eine Demarche entscheiden - "zu einem angemessenen Zeitpunkt", wie eine Sprecherin des portugiesischen EU-Vorsitzes sagte.

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Lissabon/Sofia/Wien - Nach dem Foltereingeständnis von Saif al-Islam al-Gaddafi, dem Sohn des libyschen Führers Muammar al-Gaddafi, prüft die Europäische Union laut der portugiesischen EU-Präsidentschaft mögliche Schritte gegen Libyen. Eine Demarche der EU "zu einem angemessenen Zeitpunkt" über die Anwendung der Folter in Libyen werde geprüft, sagte eine Sprecherin am Freitag auf Anfrage des STANDARD. Über den möglichen Zeitpunkt machte sie keine Angaben.

Der Sohn des libyschen Staatschefs hatte in einem am Donnerstag ausgestrahlten Interview mit dem Sender Al-Jazeera bestätigt, dass die ursprünglich in Libyen zum Tode verurteilten fünf bulgarischen Krankenschwestern und ein palästinensisch-stämmiger Arzt gefoltert worden und die Anschuldigungen falsch gewesen waren. Die sechs waren nach langem diplomatischem Tauziehen Ende Juli freigelassen worden.

Die Sprecherin deutete allerdings an, dass eine mögliche EU-Demarche das Problem der Folter im Lande allgemein betreffen könne. Hinsichtlich der Folter habe die EU klare Grundsätze, und sie ergreife Initiativen gegenüber Ländern, die der Anwendung solcher Methoden verdächtig seien.

Die Angaben des Gaddafi-Sohnes, wonach die Geständnisse durch Folter erzwungen worden waren, seien für die EU hingegen keine neuen Erkenntnisse, sagte die Sprecherin weiter. Schon die Anwälte der fünf Krankenschwestern und des Arztes hätten dies vor Gericht geltend gemacht.

Das Büro von EU-Kommissarin Benita Ferrero-Waldner wollte zu den jüngsten Details der Affäre keine Stellungnahme abgeben. Ferrero-Waldner ist nach Angaben ihres Büros im Urlaub. Sie hatte in der Krise vermittelt und war für ihren Einsatz auch zur Ehrenbürgerin der bulgarischen Hauptstadt Sofia ernannt worden.

Nach den jüngsten Aussagen des Gaddafi-Sohnes wurden die Krankenschwestern in Bulgarien unterdessen zu den Geschehnissen in libyscher Haft befragt, wie die Nachrichtenagentur dpa meldete. Die Pflegerinnen äußerten sich zu "seelischer und körperlicher Gewaltausübung" im Gefängnis, wie der bulgarische Staatsrundfunk am Freitag berichtete. Die Bulgarinnen hatten angegeben, dass sie unter Folter gestehen mussten, in einer libyschen Klinik mehr als 400 Kinder absichtlich mit dem HI-Virus angesteckt zu haben.

Strategische Gründe

Der Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider wollte sich auf Anfrage nicht persönlich zu möglichen Beweggründen des mit ihm befreundeten Gaddafi-Sohnes äußern, Details der Affäre publik zu machen. Sein Sprecher Stefan Petzner sagte, man gehe davon aus, dass die Aussagen "strategische Gründe" hätten. "Saif versucht damit, sein Image in der westlichen Welt zu festigen als offener, demokratischer Mensch." (fit, raa/DER STANDARD, Printausgabe, 11./12.8.2007)