Wien - Die Armutskonferenz hat nach den Plänen zur Mindestsicherung eine ganzheitliche Strategie zur Bekämpfung von Armut gefordert. Dieses Thema sei nicht nur Sache des Sozialministeriums, sagte Martin Schenk von der Diakonie Österreich am Freitag bei einer Pressekonferenz. Er forderte, das Thema auch zur "Chefsache" - also jener des Bundeskanzlers und des Vizekanzlers - zu machen. Auch sämtliche andere Ressorts seien davon betroffen.

"Mindestsicherungselemente"

"Die Mindestsicherung ist ein wichtiges Instrument", zeigte sich Schenk grundsätzlich positiv eingestellt. Aber: "Das, was jetzt am Tisch liegt, ist eher eine Sozialhilfereform mit Mindestsicherungselementen." Erst die Zeit werde zeigen, ob diese wirklich greife oder zu einem "Mini-Hartz" werde. Vor allem Fragen bei Vermögensanrechnung, Regress und Zumutbarkeitsbestimmungen seien nach wie vor ungeklärt.

"Ganzheitlicher Ansatz"

"Schwer zu beurteilen" sind die Pläne zur Mindestsicherung auch für Michaela Moser, Vizepräsidentin des European Anti-Poverty Network. Zwar handle es sich um ein "erstes Mittel, um sich ein besseres Leben zu ermöglichen", das Vorhaben könne aber auch schnell an steigenden Lebenserhaltungskosten scheitern. Auch Moser plädierte an die Regierung, Maßnahmen zu setzen: "Ein ganzheitlicher Ansatz gehört zu einer qualitätvollen Sozialarbeit dazu."

Mit einem Beispiel aus der Seefahrtsgeschichte machte die Armutskonferenz darauf aufmerksam, dass sich Armut auf die Lebenserwartung auswirke. Als die Titanic sank, seien die Chancen für die Passagiere - je nach dem, in welcher Klasse man sich befand - ungleich verteilt gewesen. "Die Ungleichheit vor dem Tod ist nicht mit der Titanic versunken, sondern aktueller denn je", so Schenks Schwenk in die Gegenwart.

Arme dreimal so oft krank

Dass Arme dreimal so oft krank wie Reiche würden, habe aber nur bedingt mit der Medizin selbst zu tun, so Schenk. Unterschiede in der gesundheitlichen Belastung selbst und verminderte Erholungsmöglichkeiten würden die Lebenserwartung senken. Dazu komme Stress, Isolation und Beschämung. Dies betreffe "in ganz erschütterndem Ausmaß" vor allem Migrantinnen und Asylwerberinnen, berichtete Anneliese Erdemgil-Brandstätter von der Frauenberatung Kassandra aus ihrer Erfahrung. Erschöpfungszustände würden zu Schlafstörungen, Depressionen und Selbstmordgedanken führen.

"Österreich ist nicht allein in der Armutsfrage", meinte hingegen Moser und verwies auf das Ziel der Weltgesundheitsorganisation (WHO), solche sozial bedingten Krankheitsrisiken bis 2020 um 25 Prozent zu verringern. In acht europäischen Staaten - darunter Großbritannien, Italien und Schweden - seien bereits größere Programme angelaufen. "Österreich ist da nicht dabei und das ist auch kein Wunder - weil im Bericht des Gesundheitsministeriums Armut nicht vorkommt."

ÖGB kritisiert Diskussion über Finanzierung

Der ÖGB hat das von Sozialminister Erwin Buchinger präsentierte Konzept für die bedarfsorientierte Mindestsicherung begrüßt. "Die Umsetzung muss nun zügig voranschreiten und darf nicht an schändlichen Diskussionen über die Finanzierung scheitern", fordert Bernhard Achitz, Leiter des sozialpolitischen Referates im ÖGB, in einer Aussendung.

"Es ist schändlich, dass in einem der reichsten Länder der Erde über rund 100 Millionen Euro für die Bekämpfung von Armut diskutiert wird. Gleichzeitig streicht man Vermögenssteuern wie Erbschafts- oder Schenkungssteuer ersatzlos und verzichtet damit bewusst auf Einnahmen, die gerade die Ärmsten im Land dringend nötig hätten", forderte Achitz rasche Verhandlungen. (APA)