Denn mit allerhöchster Wahrscheinlichkeit ist das hübsche Gewächs mit den markanten Blättern in Ihrem Heim eine so genannte Bocksfeige, und um zu erklären, was das nun wieder bedeutet, bedarf es ausholender Erläuterungen: Die Echte Feige (Ficus carica) gehört zur großen Gattung der Feigen innerhalb der noch größeren Familie der Maulbeergewächse und tritt in zwei Varietäten auf. Diejenige von ihnen, die - wenn überhaupt - lediglich kleine, holzige und völlig ungenießbare Feigenbemmerln produziert, steht in Ihrem Garten. Sie heißt Ficus carica var. caprificus und ist nur insofern zu gebrauchen, als sie sowohl weibliche als auch männliche Blüten produziert.
Befruchtung über Wespenart
Letztere, die Männer, sind für die zweite, wesentlich begehrenswertere Varietät, Ficus carica var. domestica allerdings von größtem Interesse. Denn dieser, der Haus- oder Essfeige, mangelt es an den eigenen Männchen. Sie bringt nur weibliche Blüten hervor, und die müssen natürlich erst befruchtet werden, damit Sie sich dann im Hochsommer in bis zu 100 Kilo Ernteertrag pro Baum gewissermaßen wälzen können (das dürfte allerdings ein paar Jährchen dauern ...).
Die Befruchtung der Blüten erfolgt über eine Wespenart. Diese legt ihre Eier prinzipiell nur in die Blüten der Bocksfeige. Sie unternimmt jedoch gelegentlich auch irrtümlich Abstecher in Essfeigenblüten, schwirrt dort unter Hintanlassens von Pollen ein wenig umher, befindet die Essfeigenbrutstätte schließlich als unbrauchbar und schwirrt wieder ab. Das Resultat sind wespenfreie, köstliche Früchte, die einen Zuckergehalt von bis zu 16 Prozent aufweisen können.
Um an dieser Stelle mit gewohnt-obligater Präzision fortzufahren, wird festgehalten, dass es sich selbstverständlich um keine Einzelfrucht, sondern um einen Fruchtstand handelt, gespickt mit unzähligen Steinfrüchtchen und deren rot-fleischigen Fruchtstielen. Und außerdem fruchtet die Feige unter optimalen Bedingungen bis zu dreimal pro Saison.
Feigenjungfrau
Wie man nun in Anbetracht dieser unerhört komplizierten Entstehungsgeschichte genießbarer Feigen zu ebensolchen kommt, ohne eine kleine Plantage samt Feigenwespenzucht anlegen zu müssen? Ganz einfach: Man besorgt sich exakt jene mittlerweile erfreulicherweise gezüchteten Essfeigensorten, die nicht nur ganz gut winterhart sind, sondern auch selbst befruchtend. Sie bringen ihre Früchte quasi jungfräulich zur Welt - und die sind die Lösung für unsere Regionen.