Die Reaktionen auf das von Sozialminister Erwin Buchinger präsentierte Konzept einer bedarfsorientierten Mindestsicherung sind unterschiedlich. Kritik kam von ÖVP, den Grünen und dem BZÖ. Diakonie Direktor Michael Chalupka begrüßte das neue Modell in einer Aussendung.

Amon: "Kompetenzen der Länder"

ÖAAB-Generalsekretär Werner Amon bezeichnete Erwin Buchinger im Gespräch mit der APA als "Sozialismusminister", der offenbar "die Salzburger Festspiele von Salzburg nach Wien transferieren will". Buchinger solle nicht jeden zweiten Tag einen neuen Vorschlag machen, der nicht in seine Kompetenzen falle, sondern sich stattdessen um die wichtigen Dinge in seinem Ressort kümmern.

Die von Buchinger geplante Mindestsicherung mit einer Vereinheitlichung der Sozialhilfe der Länder falle klar in die Kompetenzen der Länder, sagte Amon, der die Grundsicherung auch grundsätzlich ablehnt. Dabei handle es sich um "Almosen". Damit würde den Menschen die Würde genommen und die Leistungswilligkeit untergraben.

Es gebe Lebenssituationen, in denen mit materiellen Dingen wie Kleidung oder Nahrung besser geholfen sei als mit Bargeld. Deshalb sei die Sozialhilfe sinnvoll. Auch das damit gelebte Subsidiaritätsprinzip sei besser als der Zentralismus. Tendenzen zur Angleichung der unterschiedlichen Regelungen in den Ländern seien zwar legitim, aber man sollte nicht mit bundesgesetzlichen Regelungen die Länder dazu zwingen.

"Fremde Federn"

ÖVP-Generalsekretär Hannes Missethon warf dem roten Ressortchef vor, sich "offenbar gerne mit fremden Federn" zu schmücken und bei seinen "eigentlichen Themen" nichts weiter zu bringen.

Buchinger habe in den ersten sechs Monaten seiner Amtszeit "nichts anderes getan, als Maßnahmen zu verkaufen, an deren Entstehen er selbst nicht beteiligt war", sagte Missethon. So sei der Mindestlohn von den Sozialpartnern ausgehandelt und die Mindestpension bereits von der Vorgängerregierung festgezurrt worden. "Bei seinen eigentlichen und ureigensten Themen allerdings bringt Buchinger gar nichts weiter", so Missethon mit Verweis auf die Pflegefinanzierung.

Chalupka: "Verbesserungen der Sozialhilfe"

Diakonie Direktor Michael Chalupka begrüßt das Konzept Buchingers: Es enthält eine Reihe von "Verbesserungen der Sozialhilfe", wie die angekündigte gesetzliche Krankenversicherung für alle, eine stärkere Rechtssicherheit und höhere Richtsätze für Alleinerziehende, so Chalupka. "Ob es über eine längst notwendige Reform der Sozialhilfe hinaus zu einer bedarfsorientierten Mindestsicherung kommen kann, entscheidet sich an noch offenen Fragen zu Regress, Zumutbarkeitsbestimmungen und Vermögensanrechung", so der Diakonie-Direktor weiter. Daran würde man feststellen können, ob es sich bei dieser Sozialhilfereform um ein Instrument der Armen- oder der Armutsbekämpfung handle.

Weniger euphorisch verweist die Armutskonferenz auf den rasanten Anstieg von jugendlichen Sozialhilfeempfängern. So seien österreichweit rund 35.000 Kinder und Jugendliche von Sozialhilfe abhängig, was einen Anstieg um elf Prozent Im Vergleich zum Vorjahr bedeute. Außerdem bemängelt die Armutskonferenz die "eingeschränkten Zukunftschancen" dieser Kinder. Um "ausgewiesene Mängel der Sozialhilfe" zu reduzieren, wird eine "universelle und bundesweite Regelung der Sozialhilfe" gefordert.

Westenthaler: "Alptraum für jeden leistungswilligen Österreicher"

Als "Leistungs- und Arbeitnehmerfeindlich" bezeichnet BZÖ-Chef Klubobmann Peter Westenthaler die Pläne zur Mindestsicherung. "Buchingers sozialistische Träumereien sind ein Alptraum für jeden leistungswilligen Österreicher. Eine Mindestsicherung von 726 Euro bei einem angekündigten Mindestlohn von 818 Euro netto bedeutet, dass 160 Arbeitsstunden im Monat der SPÖ nur mehr 92 Euro wert sind. Das ist ein Schandlohn für Vollzeitarbeit, eine Verhöhnung der fleißigen Menschen", so Westenthaler.

Schatz: "Miniprogramm"

"Minister Buchingers Zurückrudern bei der Mindestsicherung macht nur deutlich, dass der Sozialminister der Blockadepolitik der ÖVP nicht genügend Kraft entgegensetzen kann", so die erste Reaktion der Grünen. Arbeitnehmersprecherin Birgit Schatz bezeichnet Buchingers Konzept für die Mindestsicherung als "Miniprogramm".

"Die Anhebung der Ausgleichszulage für PensionistInnen und die Sozialversicherung für SozialhilfebezieherInnen ist eine wichtige Sache, löst aber weiter nicht die Probleme von einer Million armutsgefährdeter Menschen in Österreich, von denen übrigens 230.000 voll erwerbstätig sind", so Schatz weiter.

Kickl: "In die Abhängigkeit des Staates"

"Statt einer konsequenten Armutsvermeidung werden durch die bedarfsorientierte Mindestsicherung noch mehr sozial Schwache in die Abhängigkeit des Staates getrieben", erklärte heute FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl. Man solle Sozialminister Erwin Buchinger lieber ausrichten, dass die Menschen nur durch endlich verstärkt zu schaffende Aus- und Weiterbildungsangebote wieder den Anschluss an den Arbeitsmarkt finden würden und nicht durch leistungsfeindliche Zwangsmaßnahmen.

Zach: "Veraltete Gedanken"

"Was Buchinger heute präsentiert hat, ist keine Mindestsicherung, sondern maximale Verunsicherung", zeigte sich LIF-Bundessprecher und Nationalratsabgeordneter Alexander Zach enttäuscht über das heute präsentierte Modell. "Der Minister geht von dem veralteten Gedanken der Vollbeschäftigung im Angestelltenverhältnis aus. Damit verkennt er klar die tatsächlichen Beschäftigungsverhältnisse in Österreich. Die derzeitige Sozialbürokratie werde überhaupt nicht verkleinert, sondern verstecke sich in Zukunft hinter einem "One-stop-shop"-Schalter im AMS. "Die Betroffenen bleiben somit Bittsteller und der Bürokratiewillkür weiterhin ausgesetzt", kritisiert der Liberale.

Als Alternative fordert Zach ein bedingungsloses Grundeinkommen für alle in Österreich lebenden und versicherten Menschen in der Höhe von 750,-EUR monatlich. Die Liberalen haben bereits ein konkretes Modell entwickelt, welches die Finanzierbarkeit sicherstellt. (APA/red)