Rupert Murdoch übernahm den Dow Jones Konzern mit dem "Wall Street Journal".

Ist es glaubhaft, dass der australisch-US-amerikanische Medienunternehmer Rupert Murdoch für den Erwerb des Wirtschaftsverlags Dow Jones und damit der wichtigsten Wirtschaftszeitung der Welt, des "Wall Street Journals", fünf Milliarden Dollar (3,66 Mrd. Euro) zahlt, nur um die Zukunft und Unabhängigkeit der zweitgrößten US-Zeitung zu sichern? Fast drei Monate lang stritten die Mitglieder der Familie der Mehrheitseigentümer, ob sie das finanziell lockende Angebot akzeptieren sollen, und kämpften zugleich die Vertreter der rund 600 Journalisten gegen die Übernahme durch Rupert Murdochs Medienkonzern News Corporation.

Die Zweifel, ja die Ängste waren und sind berechtigt. Der 76-jährige Herrscher über 175 Zeitungen, TV-Sender und Verlage, mit einem Jahresumsatz von über 25 Milliarden Dollar und 47.000 Angestellten ist ein ebenso genialer wie skrupelloser Geschäftsmann. Zwei bekannte Beispiele zeigen Murdochs Verständnis von Pressefreiheit und Geschäftsinteressen: Er nahm vor Jahren die BBC wegen ihrer kritischen TV-Berichte von seinem Satelliten-Angebot für China und ließ später die Herausgabe eines China-kritisches Buches des früheren Hongkong-Gouverneurs Chris Patten durch seinen Buch-Verlag Harper Collins stoppen.

Die weltweite Berichterstattung über den Kampf um das "Wall Street Journal", ein Weltblatt, dessen Journalisten 33 Pulitzer-Preise gewonnen haben, erinnert daran, was der bedeutende (konservative) deutsche Journalist Paul Sethe vor mehr als 40 Jahren in einem Leserbrief im Magazin "Der Spiegel" schrieb: „Pressefreiheit ist die Freiheit von zweihundert reichen Leuten, ihre Meinung zu verbreiten. Journalisten, die diese Meinung teilen, finden sie immer... Frei ist, wer reich ist. Das ist nicht von Karl Marx, sondern von Paul Sethe. Aber richtig ist es trotzdem. Und da Journalisten nicht reich sind, sind sie auch nicht frei (jene wenigen Oasenbewohner ausgenommen).“

Seit diesem Befund zur damaligen deutschen Pressesituation ist die Lage angesichts der globalen Pressekonzentration in Folge der Kommunikationsrevolution noch schlimmer geworden. Der britische Finanzinvestor David Montgomery erwarb zum Beispiel trotz Journalistenprotesten die "Berliner Zeitung", die "Hamburger Morgenpost" und nun auch die "Netzzeitung" (die nur im Internet publiziert). Er lehnte das Vetorecht der Redaktion ab, entließ den Chefredakteur und reduzierte trotz Kritik den Blattumfang.

Nicht alle Medienzare sind freilich so erfolgreich wie Rupert Murdoch. Sein einstiger Rivale im Kampf um den Erwerb der Londoner Sonntagszeitung "News of the World", Robert Maxwell, später Besitzer der Boulevardblätter "Daily" und "Sunday Mirror" sowie eines Verlagskonzerns, beging 1991 dem Vernehmen nach wegen des bevorstehenden Zusammenbruches seines Medienimperiums Selbstmord.

Der gebürtige Kanadier Conrad Black, von Tony Blair 2001 in den britischen Adelstand als Lord und Mitglied des Oberhauses erhoben, besaß auf dem Gipfel seiner Laufbahn weltweit das drittgrößte Zeitungsimperium, u.a. mit dem "Daily Telegraph", der Jerusalem Post und der Chicago Sun-Times. Am 12 Juli dieses Jahres wurde der außergewöhnlich begabte Medienzar wegen Betrugs und Justizbehinderung von einem amerikanischen Geschworenengericht in Chicago schuldig gesprochen. Es droht ihm eine mehrjährige Kerkerstrafe.

Rupert Murdoch ist aus härterem Holz geschnitzt als seine verschollenen Rivalen. Es bleibt allerdings abzuwarten, ob und wie weit seine Geschäftspraktiken die Unbestechlichkeit und die journalistische Unabhängigkeit des "Wall Street Journals" bedrohen werden. (Paul Lendvai, DER STANDARD; Printausgabe, 2.8.2007)