In Melk an der Donau hat man sich für die heurigen "Sommerspiele" etwas ganz Neues einfallen lassen: Keine ganz leichte Kost wird dort dargeboten, sondern "Die Apokalypse nach Motiven der Offenbarung des Johannes" – mit dem (laut Pressetext) "größten Happy End der Literaturgeschichte".

Die jüngere österreichische Bankengeschichte musste bekanntlich ohne ein auch nur messbares Happy-End auskommen, deshalb kann nun im Wiener Landesgericht dafür der "größte Wirtschaftsprozess aller Zeiten" über die Bühne gehen – als das beste Sommertheater dieses Jahres, oder zumindest: das authentischste.

Und sehenswert ist er allemal, dieser "Endkampf zwischen Gut und Böse" und um die Frage, wer letztlich dafür verantwortlich zu machen sein wird, dass das "System Bawag" dem Untergang geweiht war. Umso erstaunlicher, dass sich das Interesse am Bawag-Prozess weiterhin in engen Grenzen hält: Der Zuschauerraum des Großen Schwurgerichtssaals wurde nach dem Auftakt am 16. Juli nie mehr ganz voll.

Vielleicht liegt das auch daran, dass es bisher noch keine großen Überraschungen gab: Richterin und Staatsanwalt machen einen hochprofessionellen Eindruck, und auch die Fronten verlaufen nach etwas mehr als zwei Prozesswochen genau dort, wo man sie zuvor erwartet hatte: Zwischen Helmut Elsner und Wolfgang Flöttl einerseits, andererseits zwischen dem von einem Anwalt so bezeichneten "Triumvirat" Elsner/Zwettler/Nakowitz und den restlichen angeklagten Ex-Bawag-Vorständen bzw. Ex-Aufsichtsratschef Weninger, der bereits zugegeben hat, manchen Vorgängen in dem von ihm angeführten Gremium "nicht gewachsen" gewesen zu sein. (Es gilt für alle Beteiligten die Unschuldsvermutung.)

Am Dienstagmorgen haben Elsner und Flöttl, die seit zwei Wochen Seite an Seite die Anklagebank drücken, dann auch erstmals auf das allmorgendliche Shakehands zur Begrüßung verzichtet.

Wie überhaupt das Sehenswerte in den Details liegt: Wie missmutig Helmut Elsner zweimal (am Montag) vom Zeugenstand aufsteht, um zur Richterin vorzugehen und zu überprüfen, ob eine Unterschrift unter einem Vorstandsprotokoll tatsächlich von ihm stammt. Wie er (auch am Montag) festgestellt haben will, "nichts zu verbergen" zu haben, weil es "in den Medien" geheißen habe, dass er sich, "wenn es drauf ankommt, nicht mehr erinnern kann". Ganz anders Flöttl, der sich bemüht, alles so klar wie möglich zu erklären und stets den Eindruck macht, zur Aufklärung der Vorfälle uneingeschränkt beitragen zu wollen. Und er gilt ja auch – wiewohl selbst Hauptangeklagter – als so etwas wie der "Kronzeuge der Anklage", weil Vieles an Belastungsmaterial aus seinen Archiven stammt.

"Ich habe keine hellseherischen Fähigkeiten" erwidert Ex-Bawag-Vorstand Peter Nakowitz, als er gefragt wird, wie er denn (im September 1998) die Zustimmung des Aufsichtsrats schon in das Vorstandsprotokoll aufnehmen konnte, obwohl die Aufsichtsratssitzung erst einen Tag später stattfand. Keine Hellseher also, schon gar keine Wunderkinder, die hier vor der Richterin sitzen – wohin die vielen Millionen verschwunden sind, dafür gibt es keine Erklärung. Nur die bisher am öftesten gehörte "Entschuldigung" der Hauptangeklagten, es seien eben "Fehler passiert".

Beim Sommertheater gibt es meistens mehr "Sieger" als "Verlierer", zumindest aber fast immer ein "Happy End". Nach dem Bawag-Prozess wird die ewige Frage bleiben, ob sich verhindern lässt, dass die Fehler, die zum (Welt-)Untergang des "Systems Bawag" geführt haben, nochmal passieren können. An der Donau, in der Karibik, oder sonstwo. (Martin Putschögl, derStandard.at, 31.7.2007)