Fischeridyll auf der Donau, nahe ihrem Delta: Geht es nach der EU, wird es mit der Ruhe bald vorbei sein.

Foto: Kathrin Lauer
Einzigartige Landschaften und Tierarten sind bedroht. Die rumänische Regierung leistet bis dato keine Gegenwehr.

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"Auf der Donau-Insel Pisica, zwischen Cãlãrasi und Brãila, ist eine Rasse wilder Pekinesen entdeckt worden, die sofort aussterben würden, wenn man auch nur eine Kleinigkeit an ihrem Biotop verändern würde."

So könnte eine Falschmeldung lauten, die dem Biologen Ulrich Eichelmann vom World Wide Fund for Nature (WWF) in Wien gefallen würde. Denn zu schützen gibt es an der unteren Donau eben keine medienwirksamen Kuscheltiere, beklagt der WWF-Mann, sondern Störe. Das sind stumme Fische, die im Schwarzen Meer leben, aber von dort durch das Donaudelta flussaufwärts schwimmen, um im Süßwasser auf sandigem Grund zu laichen. Nur fehlt ihnen der Dackelblick, und streicheln mag sie niemand.

Diese ohnehin in ihrem Bestand gefährdeten Fische könnten ihr letztes natürliches Vermehrungsgebiet in Europa verlieren, wenn Pläne der Europäischen Union und der rumänischen Regierung realisiert werden, diesen 200 Kilometer langen Donauabschnitt mit seinen acht naturgeschützten Inseln durch Eindeichungen für die Schifffahrt auszubauen. Wenn sich das Flussbett verändert, könnten die Störe den Weg zu ihren Laichplätzen nicht mehr finden. Weil dies auch EU-Gesetzen widerspräche, will der WWF notfalls gegen das Projekt klagen. Die Entscheidung in Brüssel soll Ende dieses Jahres fallen.

Alles für die Schiffe Doch das rumänische Industrieministerium hat in seinem Antrag auf EU-Förderung keinerlei ausgleichende Naturschutzmaßnahmen erwähnt. Der Stör ist in dem 50-Seiten-Papier kein Thema. Die Rede ist davon, dass der Schiffsverkehr bis 2015 um 65 Prozent wachsen soll. Zwar ist das Anliegen der EU, möglichst viel Frachtverkehr von den Landwegen auf das Wasser zu verlegen, auch nach Meinung der Umweltschützer legitim. Doch um die Donau dafür effizient zu nutzen, müsste sie nach Meinung der EU-Fachleute möglichst das ganze Jahr über mindestens 2,60 Meter tief sein, weil sonst größere, schwerer beladene Schiffe auf Grund laufen.

Gerade auf dem letzten rumänischen Abschnitt aber ist der Fluss unberechenbar. In der Sommer-Dürre sinkt der Wasserstand manchmal auf 1,50 Meter. Darum soll durch Sperren den Seitenarmen Wasser entzogen und in den Hauptarm umgeleitet werden. Auf den wasserreicheren Nebenarmen wäre der Schiffsverkehr möglich, jedoch nur einspurig, weil sie schmaler sind. Zudem wäre dies für die Schiffe ein Umweg von 100 Kilometern. "Hier soll der Fluss mit völlig veralteten Methoden den Schiffen angepasst werden. Umgekehrt wäre es besser", meint WWF-Mann Eichelmann.

Bewegtes Ufer Er plädiert dafür, den Fluss, wenn überhaupt, sanft zu steuern, durch Imitation der Natur, durch Schaffung von Inseln unter Verwendung von dort vorhandenen Sedimenten, ohne Beton. Der natürliche Untergrund ist in dieser Gegend ohnehin ständig in Veränderung begriffen. Die Donau reißt immer wieder das Ufer ein, bildet neue Nebenarme, ändert ihr Bett. Der Arm Bala etwa, der nun zum Nutzen der Schifffahrt entwässert werden soll, hat sich erst vor 90 Jahren gebildet.

Träge wälzt sich der Strom an der naturgeschützten, wild bewaldeten Insel Turcescu vorbei. Auf dem stundenlangen Weg mit dem kleinen Motorschiff von Cãlãrasi aus begegnet man nur fünf Schiffen. Alle paar Kilometer blitzt ein kleiner Sandstrand auf, einmal sind auch Sonnenschirme einsamer Urlauber zu sehen. "Da, eine Zwergscharbe, ein weltweit bedrohter Vogel", schreit Eichelmann und deutet auf ein schwarzes Federtier mit schlankem rötlichen Hals, das sich gerade auf den Wasserspiegel stürzt, um einen Fisch zu jagen. "Hier - eine schöne Weißflügelsee-schwalbe." Eichelmann ist in seinem Element, schwelgt in Naturbetrachtungen: Die Seeschwalbe baut schwimmende Nester in seichtem Wasser. An den steilen Ufern, die das Wasser geschaffen hat, graben Uferschwalben Nester in den Boden. Schade nur, findet Eichelmann, dass kein wilder Pekinese dabei ist, den man anstelle der Vögel und Fische streicheln könnte. Dann hätte er es nämlich entschieden leichter, die Donau zu schützen. (Kathrin Lauer/DER STANDARD-Printausgabe, 31.7.2007)