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Schön, gelenkig und stimmstark: Schon will man in Annette Dasch (Armida) eine neue Netrebko erkennen. Selbst Krieger Idreno (Vito Priante) ist sichtlich von ihr gefangen.

Foto: AP/Andreas Schaad

... die Regie jedoch konzentriert sich auf die zentrale Liebeshandlung und gerät sehr statisch.

Salzburg – So wirkt also der vorige Sommer mit seinem vollständigkeitsverliebten Mozart-Ansinnen in diesen ersten der Intendanz Jürgen Flimm hinein, als hartnäckiger Mozartkater, dem es erst einmal in diesem Jahr durch Premierenabstinenz auszukurieren gilt. In einem Konzeptpapier hat Flimm bei seiner Bestellung zwar dem reichlich Zerfeierten auch für seine Ära eine zentrale Rolle zugedacht (die Neuheit: Nächstes Jahr inszeniert etwa Figaro-Regisseur Claus Guth Don Giovanni). Für seinen Einstand zielte Flimm aber auf Mozarts historisches Umfeld und traf treffsicher und bewusst knapp daneben, also Joseph Haydn, um zumindest stilistisch etwas Verwandtes anbieten zu können. Eine Entscheidung der Vernunft quasi, deren Nachtseite heuer zum Festivalmotto auserkoren wurde.

Auch in Armida geht es ja um chaotische Liebesverhältnisse, um Orient und Okzident, Themata, die Amadeus nicht ganz fremd waren. Über alle machtpolitischen Gegensätze hinweg haben sich Zauberfrau Armida und Rittersmann Rinaldo liebestoll ineinander verkeilt; dermaßen vernebelt sind des Kriegers Pflichtsinne, dass er sogar die Seite wechselt und gegen seine einstigen Waffenkumpels in den Krieg ziehen will. Regisseur Christof Loy allerdings interessiert das Politisch-Kriegerische nur als Felsenreitschule ausfüllender Statistenrahmen einer Geschichte um quälende Abhängigkeit.

Die Krieger um den schlauen, brutalen Idreno (intensiv und kultiviert Vito Priante) sind rot gewandet, die christliche Kreuzfahrerseite blau. Beide wirken, als kämen sie aus dem Film Rollerball, rennen nur kurz einmal über die Bühne. Ansonsten sind sie in Zeitlupe unterwegs oder erstarren des Öfteren zu kollektiven Bühnenskulpturen, werden so gleichsam Teil des Bühnenbildes. Vom vermeintlichen Kulturkampf oder einem Verweis auf die aktuelle Nahostproblematik, immerhin basiert der Stoff auf Tassos Epos Das befreite Jerusalem, keine Regiespur. Loy fand diese Art der Aktualisierung unangemessen und eigentlich nicht machbar.

Doch wie bringt man die Qualen der schuldbeladenen Zweisamkeit, dieses ewige Sichtrennen und Versöhnen, das dieses Werk übrigens nicht besonders dynamisch wirken lässt und kaum vorwärts treibt, auf eine riesige Bühne, wo doch alles in dem Werk nach Verdichtung durch ein kleines Theater fleht? Loy und sein Bühnenbildner Dirk Becker verkleinern zum einen den Raum mit reichlich viel Holz. Vor der Stein-dominierten Felsenreitschule steht denn auch rechts ein Holzmonolith wie aus Odyssee 2001, in der Mitte stapeln sich Holzplatten; und links, da ist eine zu den Steinmauern hin aufsteigende Holzschräge mit zwei Holzstühlen. Zum anderen spielt das Team mit den Entfernungen.

Schuldbeladene ...

Die Entfremdung der beiden Liebenden vermittelt sich durch große räumliche Distanz, intime Begegnungen durch kuschelige Nähe. Den Rest der "Raumverkleinerung" besorgt die darstellerische Intensität. Wild ist die Knutscherei, brutal die Konfliktaustragung. Da wird an Haaren gerissen, an Kleidern gezogen, wird gestoßen und verstoßen; und wenn Armida schließlich zusammenbricht, torkelt sie filmreif die lange Schräge herab.

Man hätte durchaus verstanden, wenn sich Annette Dasch (eine intensive Sängerdarstellerin mit delikaten lyrischen Möglichkeiten und passablen dramatischen Ansätzen) hier durch Stunt-Spezialisten hätte vertreten lassen.

Dass sie es nicht getan hat, spricht für den Appetit auf Glaubwürdigkeit einer Künstlerin, die man nun in Salzburg als neue Netrebko zu promoten versucht. Solcher Einsatz belebt natürlich Zuschauersinne und die solide erzählte Geschichte, er verleiht ihr aber auch etwas Plakatives. Etwa auch wenn Idrenos Feind Clotarco (glänzend Bernhard Richter), den zuvor Zelmira (tadellos Mojca Erdmann) bezirzt hat, gnadenlos drangsaliert. Oder wenn Ubaldo (wunderbare Linienführung: Richard Croft) unentwegt als ordenbeschwerter Militär im Rollstuhl daherkommt.

... Zweisamkeit

Doch wenn das Plakative im Finale, da sich Rinaldo (wie immer grandios und feurig im Lyrischen Michael Schade) zum letzten Mal gegen Armida entscheidet, Oberhand gewinnt, ist auch von einer Vorwärtsbewegung nichts mehr zu spüren. Auf einem Sofa erstarrt sitzend, deliriert Rinaldo, fuchtelt dann mit der Axt herum, übergießt sich und die Umgebung schließlich mit Benzin, ohne die Sache feurig zu Ende zu bringen. Das wirkte schon reichlich platt und aufgesetzt.

Nun ja. Immerhin tolle Sänger und eine sehr passable Orchesterleistung (Dirigent Ivor Bolton), die in einem kleineren Raum allerdings viel mehr gestrahlt hätte. Originalklangmäßig schlank tönt es da, prägnant phrasiert, doch wirkt es auch etwas wenig zupackend und fast schüchtern. Das Impulsive kommt denn auch zu selten wirklich zur Geltung, und das Intime verpufft in dem Riesenraum. Ein solider Festspielopernbeginn, aber kein forderndes Regieereignis. Deshalb wohl Applaus für alle. (Ljubisa Tosiæ / DER STANDARD, Printausgabe, 30.07.2007)