Drin im tempelhaften Bau herrscht eine Art fiebriger Andacht, die sich während der durchkomponierten Akte immer mehr auflädt, bis der frenetische Beifallssturm so sicher eintritt wie das Amen im Gebet. Bei diesem kunstreligiösen Unternehmen wirkt die Euphorie des Publikums, wie ein deutscher Kollege meinte, schon längst "pathologisch", sodass der Meldung im nächtlichen Teletext - "Jubel für Rheingold!", "Walküre bejubelt!" - kaum noch Informationswert zukommt.
Von dieser Eigendynamik einmal abgesehen ist in der Oper im Allgemeinen und in Richard Wagners Werken im Besonderen der Kampf der Sänger mit ihren Parts zuweilen dramatischer als die Handlung. So auch in den ersten beiden Tranchen des Rings des Nibelungen, vor allem in der Walküre: Da mühte sich Endrik Wottrich gewaltig mit der Partie des Siegmund, während sein Lispeln den todgeweihten Helden noch bemitleidenswerter machte, wirkte die etwas gewöhnungsbedürftige Brünnhilde Linda Watsons besonders herb und phasenweise jenseits von Gut und Böse.
Schon am Vorabend musste sich Arnold Bezuyen als Loge ins Forcieren oder ins Parlando retten und Andrew Shore in die Suggestion der Gequältheit des Alberich. Lichtblicke ergaben dagegen die strahlende Sieglinde von Adrianne Pieczonka, die ausdrucksintensive Fricka der Michelle Breedt oder der sonor-grimmige Hunding von Kwangchul Youn, der auch schon als Fasolt eine markante Erscheinung abgegeben hatte. In der riesigen Partie des Wotan konnte Albert Dohmen immerhin zeitweise mit seinem erdigen, flexiblen Timbre überzeugen, bis im letzten Akt der Walküre auch seine Stimme etwas brüchig wurde. War auch bei ihm die stimmliche Anstrengung nicht zu überhören, bot er unterdessen hinsichtlich seiner Bühnenpräsenz einen vielleicht allzu menschlichen Gott.
Wenig Plausibles
Ob das der Intention von Tankred Dorst entsprechen sollte, blieb unklar. Der Dramatiker kann als Regisseur auch in der überarbeiteten Version von 2006 nur wenig plausibel machen. Die Personenführung wurde zugunsten tumben Herumstehens sträflich vernachlässigt, große Gesten von gestern erzählen wenig von den Figuren. Kleine, hinzuerfundene Nebenstränge mit Alltagsmenschen fallen nicht weiter auf, zeigen nur eine nicht näher erklärte Distanz zu einer Götterwelt, die losgelöst von der Erde besteht.
Auch die divergenten Kulissen von Frank Philipp Schlößmann zwischen Naturalismus, Fabrik und Bürgerhaus bieten keinen roten Faden, könnten vielmehr glauben machen, man hätte ein wenig im Fundus gestöbert und mit ein paar isolierten Requisiten improvisiert, wenn sich etwa Brünnhilde - unfreiwillig komisch - am Ende der Walküre auf eine Holzpalette bettet. Das gibt dann nicht mehr her als ein Traditionalismus, der sich mit ein wenig Tünche den Anschein von Modernität geben möchte.