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Wie gewonnen, so zerronnen: Wer sich darauf verlässt, ein Stipendium zu bekommen, wird oft enttäuscht. Wer zu den Glücklichen zählt, muss mit langen Wartezeiten rechnen.

Montage: derStandard.at/Foto: AP/Meissner
Der Sozialstaat Österreich existiert für Karl Buder nicht. Von der "tendenziell verbesserten Situation der Studierenden", die Wissenschaftsminister Johannes Hahn anpreist, merkt er nichts. Der 24-Jährige ist eigentlich zielstrebig, seit einem Jahr plant er ein Sportstudium, wie er im Gespräch mit derStandard.at erzählt. An seinem Bildungsweg hindert ihn derzeit nur die Bürokratie. Der Grund: Sein Antrag auf Selbsterhalterstipendium wurde nach einem halben Jahr Wartezeit abgelehnt, weil er um 82 Euro zu wenig verdient hat. Und auch von der ihm zustehenden Familienbeihilfe hat der zu 50 Prozent behinderte angehende Student noch nichts gesehen.

Bildung mit Hindernissen

Karl hat schon einen schweren Bildungsweg hinter sich. Ursprünglich wollte der Oberösterreicher ans Sportgymnasium. Im Alter von zwölf Jahren wurde allerdings eine Knochenkrankheit diagnostiziert, die wahrscheinlich durch den übermäßigen Sport verursacht wurde. Eher "aus Trotz" entschied er sich dann für eine Tischlerlehre. Die musste er allerdings aufgrund seiner gesundheitlichen Probleme abbrechen. Das Arbeitsmarktservice riet ihm dann, eine Informatikerausbildung in Wien zu machen.

Dass Karl eigentlich eine körperliche Behinderung hat – mit 19 erhielt er ein künstliches Hüftgelenk – sieht man ihm auf den ersten Blick nicht an. Bei der Arbeitssuche war seine Behinderung trotzdem ein Problem: "Ein paar mal bin ich wegen dem Einstellschein nicht genommen worden", berichtet er über seine arbeitsrechtliche Begünstigung, auf die sich einige Betriebe nicht einlassen wollten. Dennoch hat er in den letzten fünf Jahren nach Abschluss der Informatikerausbildung gearbeitet: seit drei Jahren bei einer Firma Teilzeit, daneben zahlreiche andere Jobs. Die Idee, Sport zu studieren, kam ihm im vergangenen Sommer. "Ein Bürojob, da dreh ich durch. Ich habe mir überlegt, was ich wirklich machen möchte, und das ist nun mal Sport", sagt er. Was genau er damit machen will? "Gesundheitssport, weil ich das ja selbst machen muss und mich daher sehr gut damit auskenne."

Rechenfehler

Also entschloss sich der Wahlwiener, die Studienberechtigungsprüfung abzulegen, und informierte sich im Februar erstmals bei der Studienbeihilfenbehörde über finanzielle Unterstützung: "Da wurde mir gesagt, dass ich auf jeden Fall schon für das Selbsterhalterstipendium in Frage komme." Weil das auch schon während der Berechtigungsprüfung beziehbar ist, stellte Karl gleich einen Antrag.

Die Antwort folgte schon nach drei Wochen: "Abgelehnt, weil ich anscheinend nur ein Jahr lang genug verdient habe." Wer das Selbsterhalterstipendium beziehen will, muss allerdings 48 Monate gearbeitet haben, die jährlichen Einkünfte müssen dabei mindestens 7.272 Euro betragen. Nach seiner eigenen Berechnung hat Karl sogar fünf Jahre die erforderliche Summe verdient, und so ließ er die Stipendienstelle auch noch mal durchrechnen. Die kamen beim zweiten Mal auf drei Jahre. Karl legte Berufung ein, und der Antrag kam vor den Senatsausschuss der Studienbeihilfenbehörde. Das Ergebnis erfuhr er erst Ende Juli, nach zahlreichen Telefonaten: "Nicht gewährt - mit der Begründung, dass ich in einem Jahr um 82 Euro zu wenig verdient habe." Der verhinderte Student rechnete gleich nach und fand schon einen ersten Rechenfehler: "Jetzt sind es nur mehr 63 Euro und 49 Cent", meint er ironisch.

Auf den Euro genau

Da die Entscheidung noch nicht rechtskräftig ist, hat Karl noch Chancen: Innerhalb von zwei Wochen kann er nochmals Berufung einlegen, dann wird sein Antrag vom Wissenschaftsministerium begutachtet. "Die Rechenfehler kann man der Behörde nicht vorwerfen, denn die Einkünfte und Selbsterhalterzeiten sind sehr komplex", begründet Alexander Egger, Zuständiger für Selbsterhalterstipendien im Ministerium, das Chaos. "Man kann immer noch etwas rausholen, etwa auch durch Zinsen im Sparbuch." So könne es sehr wohl passieren, dass die Behörde beim ersten Antrag nur auf ein Jahr gekommen ist und mittlerweile nur mehr ein geringer Betrag fehlt. Einen Kulanzbereich gibt es laut Egger für die Summe der Einkünfte nicht, auch vom Ministerium könne der Antrag trotz eines geringen Fehlbetrages abgewiesen werden.

In den Jahren 2004, 2005 und 2006 hat Karl Buder jedenfalls genügend verdient, bestätigt Egger. Wenn er für das Jahr 2002 den fehlenden Betrag vorweisen kann, habe er bei der Berufung im Ministerium gute Chancen, das Stipendium doch noch zu bekommen. Problematisch sei aber, dass nach Berechnungen des Senates die Unterhaltsleistungen Buders Eltern zumutbar seien und somit eigentlich kein Anspruch auf Stipendium bestehe. Kann er also nicht die nötigen Einkünfte nachweisen, müssten seine Eltern für das Studium aufkommen. Und es gibt noch eine andere Option: "Wenn der Antragsteller dieses Jahr noch arbeiten geht, kann er 2008 das Selbsterhalterstipendium wieder beantragen. Dann hat er ja die nötigen vier Jahre beisammen", erklärt der Stipendienbeauftragte.

Ganz unschuldig sei der Antragsteller nach Ansicht von Egger allerdings nicht: "Bei Selbsterhalterstipendien gibt es die Möglichkeit, sich die Einkünfte schon vor dem Antrag von der Behörde durchrechnen zu lassen. Dieser Betrag wird dann auch schriftlich bestätigt, sodass die Antragsteller im Falle einer Ablehnung ihre Berufung belegen können."

Beihilfenantrag auf Abwegen

Zeitgleich mit dem Stipendienantrag suchte Karl Buder auch um Familienbeihilfe an, ebenfalls nicht ohne Schwierigkeiten. Er schickte seinen Antrag an den Hauptwohnsitz in Oberösterreich, wo man ihn ohne sein Wissen nach Wien weiterleitete. Erst durch Nachfragen nahm sich das Wiener Finanzamt in Wien der Sache an. Mit einer Behinderung im Ausmaß von 50 Grad würde ihm erhöhte Familienbeihilfe zustehen, die will man ihm aber nicht geben. "Mein Behindertenausweis aus Oberösterreich reicht denen aber nicht aus", ärgert sich Karl. Die Wiener Finanzämter sind sich in der Frage anscheinend uneinig. Für das Finanzamt des 18. Gemeindebezirks, das für Karl Buder zuständig ist, reichte die Bestätigung aus dem Heimatbundesland nicht. In einem anderen Finanzamt ist man auf Anfrage von derStandard.at anderer Meinung: "Wenn sie bereits einen Behindertenausweis haben, reicht uns die Kopie vollkommen."

Teufelskreis

Mittlerweile wartet Karl seit einem halben Jahr vergeblich auf die Familien- und Studienbeihilfe. Seit diesem Zeitraum arbeitet er nur mehr geringfügig, um nicht die Einkommensgrenze für die Beihilfen zu übersteigen - und landet so noch vor Studienbeginn in einem Teufelskreis: "Mein Konto hab ich schon überzogen, von 300 Euro im Monat kann ich ja schwer leben." Was ihn vom Durchdrehen abhält? "Sport, Sport, Sport ist das einzige was da hilft." (Elisabeth Oberndorfer, derStandard.at)