Die Militärs bremsten
Die Kandidatur von Gül hatte Ende April die politische Krise in der Türkei ausgelöst, weil Militär, parlamentarische Opposition und die Justiz letztlich verhinderten, dass Gül im Parlament gewählt werden konnte, woraufhin die Regierung die jetzt durchgeführten Wahlen um vier Monate vorzog.
Zwar hat das alte Parlament noch eine Verfassungsänderung beschlossen, nach der zukünftig der Staatspräsident direkt vom Volk gewählt werden soll, doch diese Entscheidung wird Ende Oktober erst noch per Referendum den Wählern vorgelegt. Bis dahin ist nach wie vor das Parlament in der Pflicht, noch ein letztes Mal einen Präsidenten zu wählen. Schafft es das nicht, wird es Ende September erneut aufgelöst.
Da die AKP trotz ihres Wahlsieges die für die Wahl des Staatspräsidenten notwendige Zweidrittelmehrheit im Parlament nicht erreicht hat, ist sie wieder darauf angewiesen, dass zu mindestens ein Teil der Opposition zum Wahlvorgang erscheint und zwei Drittel der Abgeordneten anwesend sind.
Im Wahlkampf hatte Parteichef Erdogan angedeutet, dass er dieses Mal bereit wäre, auf die Opposition zuzugehen, und sich im Parlament um einen Kompromiss zu bemühen. Das sieht jetzt, nach dem unerwartet hohen Wahlsieg mit fast 47 Prozent der Stimmen, offenbar doch wieder anders aus. Gül bezog sich in seinem Statement ausdrücklich auf den Wählerwillen, als er sagte, er könne auf keinen Fall ausschließen, dass er wieder antreten werde. Dabei zeigen gerade gestern veröffentlichte Nach-Wahl-Umfragen, dass mehr als 70 Prozent der AKP-Wähler als Motiv für ihre Entscheidung wirtschaftliche Gründe hatten. Nicht die Präsidentenwahl und die Intervention des Militärs haben der AKP den Erfolg gebracht, sondern die Erwartung der Leute, dass die Partei weiterhin für Stabilität und Wachstum sorgt.
Neuwahl unerwünscht