Budgetdetailfragen durch ein 150-köpfiges Gremium wie die Gesamtsitzung der Akademie entscheiden zu lassen, sei nicht mehr zeitgemäß: Heinz Engl, Industriemathematiker und Akademie-Reformator.

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Dreijährige Leistungsverträge wünscht sich Heinz Engl, Leiter der Reformkommission der Akademie der Wissenschaften. Warum sich die Reform über Jahre hinzog und was er von kommerzieller Nutzung der Grundlagenforschung hält, erzählte er Peter Illetschko.

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STANDARD: Ende Juni hat die Gesamtsitzung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften die Reform des Hauses beschlossen. Wann wurde man sich eigentlich erstmals bewusst, dass die alten Strukturen aus dem 19. Jahrhundert nicht mehr zeitgemäß sind?

Engl: Unter Ex-Präsident Werner Welzig wurden zahlreiche neue und große Institute gegründet. Damit haben sich auch der Finanz- und der Managementbedarf erhöht. Und es ist offensichtlich geworden, dass die alten Strukturen in einem modernen Wissenschaftsbetrieb nicht mehr ausreichen. Welzig war sich dessen bewusst.

STANDARD: Welzig war bis 2003 im Amt, wir schreiben das Jahr 2007. Warum hat das so lange gedauert?

Engl: Es hat nach Welzig noch einen Präsidentenwechsel gegeben - Herbert Mang, der die Reformkommission einsetzte, wurde von Peter Schuster abgelöst. In der Übergangszeit von der Bestellung bis zum tatsächlichen Amtsantritt war es natürlich schwierig, den Reformprozess voranzutreiben. Und ein neuer Präsident muss die Gelegenheit haben, seine Vorstellungen einzubringen.

STANDARD: Zuletzt wurde der Druck zur Reform erhöht - auch durch den Forschungsrat. War das ausschlaggebend dafür, dass es nicht noch länger dauerte?

Engl: Die Reform hätte es auch ohne Druck gegeben, obwohl die öffentliche Kritik sicher zu einer Beschleunigung beigetragen hat. Ich möchte an die Universitätsreform erinnern. Sie wurde mit dem Universitätsgesetz 2002 beschlossen, beginnt auch erst jetzt zu greifen. Diskutiert wurde darüber erstmals 1975. Und hier kam die Reform von außen, in der Akademie kommt das Konzept von innen.

STANDARD: Ein merkwürdiger Vergleich ...

Engl: Ich weiß schon, dass der Vergleich hinkt - die Universitäten sind ein größerer Apparat, es geht um weit reichende Konsequenzen für Forschung und Lehre. Ich will hier nur dokumentieren, welche zeitlichen Ausmaße eine wirklich tief greifende Reform haben kann.

STANDARD: Die Unis haben dreijährige Leistungsverträge mit dem Ministerium. Wäre das ein Modell für die Akademie?

Engl: Ja, sicher. Da sollten wir hin. Die Leistungsverträge sollen dann an die einzelnen Institute und Kommissionen genauso "weitergegeben" werden wie das zwischen Universitäten und Fakultäten passiert. Wichtig ist aber jedenfalls, dass die Akademie als "Dach" bestehen bleibt, deren Fachkompetenz die nachhaltige Unterstützung hochwertiger wissenschaftlicher Arbeit und strikte Qualitätskontrolle garantiert. Beides ist für Institute der Grundlagenforschung, die nicht immer unter dem Druck kurzfristiger Umsetzung arbeiten sollen, sehr wichtig.

STANDARD: Heißt das, dass die GmbH-Idee ad acta gelegt wurde? Einige Institute wie Josef Penningers Institut für Molekulare Biotechnologie sind so organisiert, haben ihre eigene Geschäftsgebarung und brauchen, wie es heißt, nicht für jede Entscheidung einen langen Instanzenweg in der Akademie gehen.

Engl: Sie wurde nicht ad acta gelegt, sie macht aber nur bei sehr großen, industrienahe agierenden Instituten Sinn, die gewinnorientiert arbeiten, nicht bei geisteswissenschaftlichen Instituten wie der Iranistik beispielsweise. Der Instanzenweg, den Sie ansprechen, wird mit der Reform verkürzt.

Es ist nicht mehr zeitgemäß, dass Budgetdetailfragen nur über die Gesamtsitzung, ein 150-köpfiges Gremium, abgewickelt werden können. Das Präsidium bekommt für schnelle Budgetentscheidungen nun eine Art Aufsichtsrat, wie das in einem großen Unternehmen gehandhabt wird, und für das wissenschaftliche und finanzielle Controlling ein international besetztes Forschungs- und ein Finanzkuratorium.

STANDARD: Das Budget war in den vergangenen Jahren immer eine Streitfrage. Die Akademie hat etwa 70 Millionen Euro zur Verfügung. Der Ruf nach mehr war immer deutlicher zu hören. Kann die Strukturreform hier zu einer positiven Entwicklung führen?

Engl: Ja, wobei das nicht nur mehr Budget heißen muss. Wir haben nicht so wenig Geld. Das, was wir haben, sollte aber mehrjährig gesichert sein. Das ist derzeit nicht so. Derzeit setzt sich das Budget zu einem großen Teil aus Sondermitteln zusammen, mit denen wir bei der Planung von Forschungsvorhaben natürlich nicht rechnen können. Mit dreijährigen Leistungsverträgen würden die Institute der Akademie wohl auch ein gesichertes Budget für diese Zeit bekommen.

STANDARD: Wobei die Frage des Umgangs mit geistigem Eigentums zu klären wäre ...

Engl: Das verlangt bei allen Wissenschaftern Fingerspitzengefühl. Die Akademie unterstützt natürlich auch das Einwerben von Industriemitteln, und auch die kommerzielle Nutzung von Ergebnissen. Sie hat aber auch strenge wissenschaftliche Richtlinien. Da darf nichts vermischt werden. Die Qualität der wissenschaftlichen Arbeit, die Unabhängigkeit der Grundlagenforschung stehen im Vordergrund.

STANDARD: Wie machen Sie das? Sie sind ja Wissenschafter, aber auch Geschäftsmann, Inhaber der Firma Mathconsult und Leiter des Kompetenzzentrums Industriemathematik. Inwieweit vernetzen Sie das Akademie-Institut mit Ihrem Unternehmen?

Engl: Mit dem Kompetenzzentrum gibt es nur Überschneidungen durch meine Person, die Trennung zur Firma ist eine sehr strikte. Vor allem, was die Finanzen betrifft. Aber eine derart einmalige Konzentration von Kompetenz sollte man auch nützen: Mitarbeiter, die an Industrieprojekten arbeiten, haben am selben Ort dutzende Ansprechpartner für Grundlagenfragen, und diese wieder erhalten durch die Industrienähe Anregungen für Grundlagenforschungsthemen. Es kommt aber niemals zu Querfinanzierungen.

STANDARD: Sie sind Wissenschafter und Forschungsmanager, haben viele Funktionen. Wird sich daran etwas angesichts der Berufung zum Vizerektor der Uni Wien ändern?

Engl: Das wird eine sehr anspruchsvolle Aufgabe. Ich werde für Forschung sowie für Nachwuchsförderung und Qualitätssicherung zuständig sein. Die Leitung des Radon-Instituts werde ich beibehalten, mit Unterstützung in Linz. Meine eigene Forschung, vor allem Kooperationen mit Biologen, wird sich mehr nach Wien verlagern. Gerade ein Vizerektor für Forschung sollte Forscher sein, wobei ich mir allerdings keine Illusionen über die verfügbare Zeit mache. (DER STANDARD, Printausgabe, 25. Juli 2007)