Leonding - Die Mütter verband ein und dasselbe Problem: Die viel zitierte Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Wie schwierig dies tatsächlich ist, erfuhren sie in Leonding. Wiltrud Frei wollte nach einem Jahr Babypause wieder arbeiten. Doch für das Töchterchen fand sie keinen Betreuungsplatz. Sie hörte sich bei Bekannten um, bekam aber nur folgende Antwort: Auch ich suche vergeblich nach einer Unterbringungsmöglichkeit für mein Kind. Die einzige Lösung, die die Mütter sahen: Selbst aktiv werden und eine private Krabbelgruppe gründen.

Eine Kindergärtnerin und eine Helferin wurden aufgetrieben, 17 Kinder waren auf einer Anmeldeliste vorgemerkt. Jetzt fehlte nur noch ein Raum. Frei bat den Leondinger Bürgermeister, ob die Gemeinde nicht "entgeltlich oder unentgeltlich" den Jugendraum der Tagesheimstätte zur Verfügung stellen könnte?

Genug Angebote

Die Antwort war negativ. Warum Herbert Sperl (SPÖ) die öffentliche Einrichtung nicht zur Verfügung stellen will, erklärte er im Gespräch mit dem STANDARD. An Private zu vermieten widerspreche dem Grundgedanken einer öffentlichen Einrichtung. Außerdem gebe es in Leonding "bereits drei Kleinkindergruppen sowie Tagesmütter, die für die Betreuung der unter Dreijährigen zuständig sind."

Nur weil diese Mütter "aus persönlichen Motiven lieber eine eigene Gruppe" eröffnen wollen, könne er diese Initiative nicht unterstützen. Nach Auskunft einer seiner Mitarbeiter seien die Kleinkindergruppen zwar besetzt, aber die Tagesmütter hätten noch Kapazitäten. Laut Verein "Aktion Tagesmütter" fehlen in Leonding 20 Tagesmütter, erfuhr hingegen Frei. Der Vorschlag des Bürgermeisters, selbst Tagesmutter zu werden, empfindet Frei als Hohn. "Ich will in meinen erlernten Beruf zurück", meint die Juristin. Dafür brauche sie eine Halbtagsbetreuung für die Tochter.

"Steter Tropfen"

Nach der Absage des Bürgermeisters wandte sich die Mutter an dessen ÖVP-Stellvertreter Franz Kreinecker. "Derzeit scheint der Bürgermeister unter keinen Umständen gewillt zu sein, Ihrer guten Idee nachkommen zu wollen. Aber - steter Tropfen höhlt den Stein", war die nicht gerade aufmunternde und ambitionierte Antwort.

Seit ihrem Versuch, in Leonding selbst etwas gegen den von den Müttern sehr wohl wahrgenommenen Betreuungsplatzmangel zu unternehmen, sind drei Monate vergangen. Inzwischen arbeitet die Juristin wieder. Sie hat sich ein Kindermädchen organisiert, das auch noch auf zwei kleine Buben von befreundeten Familien aufpasst.

Dass sich die Gemeinde nicht um neue Betreuungseinrichtungen kümmere, dagegen wehrt sich Sperl entschieden. "Ich muss diesen Sommer noch zwei Hortgruppen aus dem Boden stampfen und ein neuer Kindergarten wird gebaut. Weitere Kleinkindgruppen seien aber "für die Allgemeinheit zu teuer". Schon jetzt betrage "der Abgang pro Kind 50 Prozent". Krabbelgruppen kämen noch teurer, da bei mehr Personal kleinere Gruppen vorgeschrieben sind. (Kerstin Scheller, DER STANDARD Printausgabe, 25.7.2007)