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Peter Kostelka, Georg Lienbacher und Andreas Khol stellten die ersten Empfehlungen zur Staats- und Verwaltungsreform vor.

Foto: APA/HERBERT PFARRHOFER

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Die von der Bundesregierung im Februar 2007 eingesetzte Expertengruppe zur Staats- und Verwaltungsreform hat nun die ersten Ergebnisse ihrer Beratungen präsentiert. Der Leiter der Expertengruppe, Georg Lienbacher, bezeichnete die Ergebnisse des ersten Pakets als die "größte Verfassungsbereinigung der 2. Republik". SPÖ-Verhandlungsführer Peter Kostelka spricht von einer "Generalsanierung" der Verfassung: Laut seinem ÖVP-Gegenüber Andreas Khol ist auch die Regierungsspitze mit den Plänen einverstanden: "Ohne ihr Grünes Licht säßen wir heute nicht hier."

Die Reformvorschläge beziehen sich auf die Bereiche Verfassungsbereinigung, Rechtsschutz und Kontrolle: Es sind zehn neue Verwaltungsgerichte in Bund und Ländern, ein "Justizanwalt" für Beschwerden gegen Missstände in der Justiz, erste Maßnahmen zur "Verfassungsbereinigung" und mehr Kontrollrechte für die Volksanwaltschaft vorgesehen.

Verfassungsbereinigung

Das österreichische Verfassungsrecht soll einheitlicher und überschaubarer werden. Daher sollen rund 1000 außerhalb des Bundes-Verfassungsgesetzes verstreute Verfassungsbestimmungen aufgehoben oder zu einfachen Gesetze zurückgestuft werden. Dadurch würde die Verfassung übersichtlicher und für den einzelnen auch leichter lesbar werden. "Wie ein spannender Kriminalroman wird sie aber leider trotzdem nicht zu lesen sein", schränkte Georg Lienbacher aber ein.

Verwaltungsgerichte

Die Expertengruppe spricht sich für die Einrichtung eines Verwaltungsgerichts erster Instanz in jedem Land und im Bund aus. Dieses Gericht entscheidet in der Sache unmittelbar nach der ersten Administrativinstanz. Dadurch können nicht nur die Berufungsinstanzen innerhalb der Verwaltung eingespart werden, sondern auch die rund 70 bestehenden Sonderbehörden.

Für Kostelka bringen die neuen Verwaltungsgerichte eine "tiefgreifende Systemänderung": Künftig werden nicht mehr weisungsgebundene Beamte über Berufungen gegen Verwaltungsbescheide befinden, sondern die unabhängigen Richter an den Verwaltungsgerichten. Dies bedeute "die totale Entpolitisierung der zweiten Instanz" im Verwaltungsverfahren und werde ein Mehr an Rechtsstaatlichkeit bringen, so Kostelka. Kommen werden die neuen Gerichte laut Lienbacher aber (politische Einigung und Beschluss im Herbst vorausgesetzt) erst nach einer langen Übergangsfrist: "2010 ist die Untergrenze."

Kontrolle

Kernpunkte der Verbesserungen im Bereich Kontrolle sind die Ausweitung der Prüfungszuständigkeiten der Landeskontrolleinrichtungen auf die Gebarung von Gemeinden und Gemeindeverbänden, die Ausweitung der Misstandskontrolle der Volksanwaltschaft auf bestimmte ausgegliederte Rechtsträger, sowie die Möglichkeit zur Abberufung eines Mitgliedes der Volksanwaltschaft.

Für Missstände in der Gerichtsbarkeit wird ein "Justizanwal"t - ähnlich der für die Verwaltung zuständigen Volksanwaltschaft - erschaffen. Wer beispielsweise glaubt, dass sein Verfahren vom Richter mutwillig verschleppt wird, kann sich künftig an diese Stelle wenden.

Keine Einsparungen

Einsparungen sind von dem ersten Paket vorerst nicht zu erwarten - mit Zusatzkosten durch die neuen Verwaltungsgerichte rechnet Georg Lienbacher vom Verfassungsdienst im Kanzleramt aber auch nicht. Weil die zehn neuen Gerichte (neun in den Ländern, eines auf Bundesebene) an die 70 Sonderbehörden ersetzen, die sich derzeit mit Berufungen gegen Verwaltungsbescheide beschäftigen (z.B. Finanzsenate, Bundesasylsenat), rechnet er mit einer "gewissen Kostenneutralität" der Reform sowie mit der Entlastung des darüber angeordneten Verwaltungsgerichtshofes als letzter Instanz.

Drei Pakete

Insgesamt zeigt sich die Expertengruppe sehr zufrieden mit den Ergebnissen der Beratungen in den bisher 15 abgehaltenen Sitzungen. "Wir haben die Verfassung mit dem Lauskamm durchgekämmt", betonte Andreas Khol. Und am nächsten Paket wird laut Experten bereits gearbeitet. Es soll im Herbst vorgelegt werden und soll unter anderem den Grundrechtskatalog und die Neuordnung der Schulverwaltung beinhalten. Insgesamt plant die Expertengruppe drei Pakete vorzulegen. Auch das dritte soll noch dieses Jahr geschnürt werden, so Andreas Khol.

Die Begutachtungsfrist des vorgelegten Pakets startet heute und dauert insgesamt acht Wochen. Alle BürgerInnen sind eingeladen, Kommentare und Stellungnahmen abzugeben, betonten die Experten einstimmig. Der Gesetzestext wurde zur Einsichtnahme auch im Internet veröffentlicht.

Im nächsten Schritt werden die Reformvorschläge dann dem Nationalrat vorgelegt. (APA/rwh, derStandard.at, 23.7.2007)