Die Daten könnten Aufschluss über verborgene Bodenschätze geben. Und die GPS-Navigation wird genauer.

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Perugia - Wurde nicht schon alles vermessen? Die Konturen der Kontinente, ihr geologischer Aufbau, die Ozeane, die Luft? Nein, ein Maß blieb bis jetzt unberücksichtigt: das Magnetfeld des Bodens. Die Rede ist nicht vom Erdmagnetfeld. Jener unsichtbare Schild, der den Planeten umhüllt und nachdem sich Kompassnadeln richten, ist gut bekannt. Er wird von einer flüssigen Eisenschmelze im Erdkern verursacht. Doch auch die Gesteine direkt unter unseren Füßen erzeugen ein Magnetfeld.

Es ist zwar 100-mal schwächer als das Hauptfeld der Erde, doch stark genug, um GPS-Navigationssender zu stören oder Erzlagerstätten im Untergrund zu verraten. Forscher haben nun die erste Magnetfeld-Weltkarte des Erdbodens präsentiert.

Die Karte soll beispielsweise bei der Suche nach Rohstoffen helfen und die Navigation von U-Booten verbessern. Die Karte verrät, was sich im Untergrund verbirgt, wie sich die Kontinente verschieben - und sie stellt die Experten vor manches Rätsel.

Magnetfeld in Afrika

Besonders merkwürdig erscheint ein recht starkes Magnetfeld in Zentralafrika. Normalerweise ist das Feld in der Nähe des Äquators schwächer als anderswo. "Doch in Zentralafrika liegen offenbar gewaltige Eisenmengen im Boden", sagt der Geophysiker Stefan Maus von der Universität of Colorado in Boulder, USA. Da die Dschungelgegend kaum erforscht ist, lasse sich nur spekulieren, worum es sich handelt.

Manche Experten meinen, im Boden befänden sich Fragmente eines Meteoriten. Andere glauben, das Gestein im Untergrund sei schlicht sehr alt. Magnetisches Eisenerz nämlich hat sich oft in der Erdfrühzeit gebildet. Damals hatte sich Sauerstoff in Wasser und Luft angereichert und mit Eisen verbunden, woraufhin mächtige Erzlagerstätten entstanden waren. Die Depots treten auf der Magnetfeld-Weltkarte als rote und violette Punkte hervor. Das größte liegt nahe der russischen Stadt Kursk.

Der unterschiedliche Eisengehalt von junger und alter Erdkruste macht die Magnetfeld-Weltkarte zu einer Darstellung der Erdgeschichte. Deutlich lassen sich verschieden alte Kontinente auseinanderhalten. Eine Grenze erstreckt sich von Hamburg über Berlin Richtung Südosten. An dieser Naht wurden vor 450 Millionen Jahren die Urkontinente Baltica und Avalonia miteinander verschweißt.

Auch die Bewegung der Erdplatten lässt sich aus der Magnetfeldkarte lesen - etwa an den Meeresböden, die ein gleichmäßiges Muster aufweisen: Linien unterschiedlicher Magnetfelder verlaufen parallel zu den so genannten Mittelozeanischen Rücken - unterseeischen Gebirgszügen, aus denen ständig Lava quillt.

Magnetische Minerale in der Lava richten sich dabei nach dem Erdmagnetfeld aus. Nachdem die Lava zu Erdkruste gehärtet ist, friert sie die Magnetteilchen ein. Die Partikel reagieren fortan nicht mehr auf Änderungen des Erdmagnetfeldes. Die Magnetlinien haben also Informationen über das Erdmagnetfeld einer Epoche gespeichert.

So lässt sich etwa die Öffnung des Atlantiks nachvollziehen: Wie zwei Puzzleteile passen Afrika und Amerika zusammen. Dazwischen zeugen die parallelen Linien am Boden des Atlantiks von der Auseinanderbewegung der beiden Platten nach Osten und Westen.

Derartige Puzzles gibt es auf der Karte viele zu entdecken. Vor der Westküste Australiens etwa tritt am Meeresboden ein vergleichsweise starkes Magnetfeld hervor. Dort hat sich Lava, die viele magnetische Minerale enthält, über ein großes Areal ergossen. Einige tausend Kilometer südwestlich am Grund der Antarktis findet sich das passende Gegenstück.

Arbeit von Jahrzehnten

Die Magnetfeldweltkarte beruht auf Messungen, die von Flugzeugen, Schiffen und von dem Satelliten Champ aus gemacht wurden, der vom Geoforschungszentrum Potsdam betriebenen wird. "Die Daten wurden in Jahrzehnten von Geophysikern zusammengetragen", sagt Juha Korhonen vom Geologischen Dienst Finnlands, der die Karte nun auf einer Tagung in Perugia vorgestellt hat.

Auch bei der Suche nach Rohstoffen könnten die Daten hilfreich sein, betont Michael Purucker von der Nasa. Zunehmend suchen Firmen in der Arktis nach Bodenschätzen. Die Magnetdaten sollen zeigen, ob im arktischen Meeresboden Öl oder Erdgas gespeichert sind. Die Lagerstätten verraten sich durch hohe Temperaturen: Bei größerer Hitze im Untergrund verliert Gestein seinen Magnetismus.

Die Daten könnten zudem helfen, die GPS-Navigation zu verbessern, sagt Geophysiker Stefan Maus. GPS-Geräte verfügen meist über Magnetfeldsensoren, um die Richtung zu bestimmen. Das Magnetfeld des Bodens kann das System jedoch in die Irre führen. "Je genauer die störenden Felder bekannt sind, desto besser lässt sich ihr Effekt korrigieren", sagt Maus.

Auch U-Boote könnten profitieren. Denn unter Wasser lässt sich GPS nicht einsetzen. Deshalb muss für die Navigation das Magnetfeld genau bekannt sein. (Axel Bojanowski/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 21./22. 7. 2007)