Grafik: STANDARD
Wien – Hat die Ostöffnung nur den Firmen und Anlegern etwas gebracht und den unselbstständig Beschäftigten nichts? Ja, meint Wifo-Ökonom Fritz Breuss in einer neuen Untersuchung: "Die Globalisierung und die EU-Erweiterung verursachten in Westeuropa ein Sinken der Lohnquoten." Allerdings stellt Breuss klar, dass darunter kein Rückgang der Realeinkommen zu verstehen ist, sondern dass diese einfach viel langsamer wuchsen als Unternehmensgewinne, Mieten, Kapitalerträge und dergleichen.

Druck auf Mitarbeiter verstärkt

Dass Österreich von dieser Entwicklung stärker betroffen war als andere Länder (siehe Grafik), liegt am stärkeren Engagement in Zentraleuropa. Auch der Umstand, dass heimische Firmen schon lang vor der Erweiterung im Osten Waren absetzten und groß investierten, drückte den Lohnanteil an der Wertschöpfung. "Durch die Möglichkeiten für Betriebe, Standorte zu verlagern, konnte der Druck auf die Mitarbeiter verstärkt werden", erläutert Breuss im Gespräch mit dem STANDARD.

Das dämpfte die Einkommensentwicklung und erhöhte die Flexibilität der Arbeitnehmer. "In manchen Fällen wurde die Belegschaft fast erpresst", schildert der Wifo-Mann und WU-Professor die neue Macht der Betriebe. Diese Tendenz sei in den entwickelteren Industriestaaten weltweit zu bemerken, allerdings sei sie in Österreich durch die "Mini-Globalisierung im Zuge der Ostöffnung" ausgeprägter.

Zusammenhänge

Des einen Freud des anderen Leid. Während der Fall des Eisernen Vorhangs in Westeuropa die Kapitalrenditen beflügelte, stiegen im Osten die Lohnanteile. Breuss hat in seiner Untersuchung folgende Zusammenhänge errechnet: Ein Anstieg der Exporte der alten EU-Länder von einem Prozent des BIP, reduziert die Lohnquote um 0,3 Prozent. In den neuen EU-Mitgliedstaaten ist dieses Verhältnis genau spiegelverkehrt. Breuss ist zudem überzeugt, dass die Übergangsfristen für den Zuzug osteuropäischer Arbeitskräfte der Einkommensentwicklung geschadet haben – eine angesichts der politischen Debatte über das Auslaufen der Sperre höchst brisante Aussage. Die These des Ökonomen: "Dadurch wurden die Unternehmen gezwungen, noch stärker in Zentraleuropa zu investieren. Wären mehr Osteuropäer gekommen, hätte Österreich mehr davon gehabt." (Andreas Schnauder, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 21./22.7.2007)