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Angeschlagen ist der Radsport nach den zahllosen Dopingfällen der Vergangenheit und Gegenwart schon lange. Der mit dem jüngsten Fall verbundene ARD/ZDF-Ausstieg könnte ihn zu Boden gezwungen haben.

Foto: REUTERS/Victor Fraile

Die positive Nachricht ereilte Patrik Sinkewitz am Mittwochvormittag, kurz vor Einfahrt in den Operationssaal einer Hamburger Klinik. Der 26-Jährige war am Montag nach der 8. Etappe der Tour de France mit einem Zuseher kollidiert. Die unter anderem dabei erlittene Kieferverletzung sollte gerade operativ versorgt werden, als Sinkewitz darüber informiert wurde, dass seine am 8. Juni während einer Trainingskontrolle in den Pyrenäen abgegebene Dopingprobe ein positives, also für ihn und den gesamten Radsport höchst negatives Ergebnis erbracht hat. "Ich? Wieso ich? Davon weiß ich nichts. Das kann nicht sein", sagte Sinkewitz zur Tatsache, dass in seiner A-Probe ein Testosteronwert festgestellt wurde, der den erlaubten Grenzwert um ein Vielfaches überschritten hatte.

Sinkewitz wurde von seinem T-Mobile-Team umgehend suspendiert, ihm droht bei Bestätigung des Dopingverdachts in der B-Probe eine zweijährige Sperre, ein Beschäftigungsverbot bei ProTour-Teams für weitere zwei Jahre sowie eine Geldstrafe in Höhe eines Jahresgehalts (geschätzte 500.000 Euro).

Gravierender sind die Konsequenzen für den Radsport insgesamt. Nach einer Krisensitzung entschlossen sich ZDF und ARD, die Übertragungen der Tour de France sofort zu beenden. "Wir haben entschieden, bis zur Klärung des Falles aus der Tour-Berichterstattung auszusteigen. Wir konnten mit der gelben Karte nicht mehr warten, es muss klar Schiff gemacht werden", sagte ZDF-Chefredakteur Nikolaus Bender nach Rücksprache mit ARD-Programmdirektor Günter Struwe in der gemeinsamen Nachrichtensendung "Mittagsmagazin". Struwe: "Wir hatten vor der Tour intensive Gespräche mit den deutschen Teams. Uns wurde geschworen, dass Derartiges nicht mehr passiert."

ARD berichtete am Mittwoch nur noch vom Dopingfall Sinkewitz. Über den Verlauf der 10. Etappe berichtete allerdings Eurosport, das weiterhin übertragen will.

Noch am 23. Mai, nach den Doping-Geständnissen von T-Mobile-Sportdirektor Rolf Aldag und dem inzwischen zu Milram gewechselten Sprinter Erik Zabel, hatten Bender und Struve den Ausstieg aus den Tour-Übertragungen als "völlig falsches Signal" bezeichnet, zumal ein Reinigungsprozess im Radsport eingesetzt habe. Für den wollte vor allem das T-Mobile-Team von Sinkewitz stehen. Beim Sponsor ist man daher "entsetzt, geschockt und enttäuscht", wie Konzernsprecher Christian Frommert sagte. "Wir werden die Faktenlage genau prüfen." Am Willen, dem Radsport eine neue Chance zu geben, habe sich auch im Interesse der sechs in der Tour verbliebenen T-Mobile-Fahrer noch nichts geändert.

Einer von ihnen, der Steirer Bernhard Eisel, sprach von "einem schlimmen Schlag für uns alle". "Ich bin erschüttert und schwer enttäuscht", sagte T-Mobile-Teamchef Bob Stapleton zum positiven Test von Sinkewitz. Die Fahrer seien eben nicht rund um die Uhr zu überwachen. Das selbst eingerichtete System der Kontrollen hätte im Fall Sinkewitz gar nicht greifen können, "da wir nur Tests zum Blutvolumen vornehmen, um auffällige Werte feststellen zu können". (DER STANDARD, Printausgabe, Donnerstag, 19. Juli 2007, Sigi Lützow und Fritz Neumann)