100 Jahre alt und unverändert beliebt: Allein an diesem Sonntag sind rund 30.000 Menschen in das Wiener Gänsehäufel geströmt. Das Wien Museum widmet dem Strandbad rechtzeitig zum Jubiläum von 19. Juli bis 7. Oktober eine kompakte Ausstellung, die den Mythen um die viel geliebte Freizeitoase nachspürt und diese auch hinterfragt.

Foto: derStandard.at/Gedlicka

Von historischen Badeutensilien, Werbematerialien und Badevorschriften bis zu aktuellen Fotos und Interviews mit den Besitzern der heiß begehrten "Kabanen" (Vorbaukabinen) reichen die Exponate der Ausstellung "Am Gänsehäufel. Ein Strandbad wird 100". Bädergeschichte werde hier als "Gesellschafts- und Sozialgeschichte" begriffen, so Museumsdirektor Wolfgang Kos bei der Medienpräsentation.

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"Das Gänsehäufel ist ein wichtiger Ort für die Wiener Bevölkerung", so Kos. Öffentliche Bäder seien Lebensadressen: "Man wechselt nicht gerne". Von der leidenschaftlichen Beziehung der Badbesucher zum Gänsehäufel und seinem Inventar zeugt auch ein in der Ausstellung präsentiertes Posting eines Users von derStandard.at zu einer Ansichtssache über das Bad: "Die Niveakugel ist schon auf meinen Babyfotos im Hintergrund zu sehen. Bitte niemals abmontieren."

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Genau genommen beginnt die Geschichte des Gänsehäufels mit der Regulierung der Donau 1875, mit der die heutige "Alte Donau" zum Seitenarm ohne Strömung wurde. Der Name "Gänsehäufel" verdankt sich wahrscheinlich dem Umstand, dass Gänse auf die verschiedenen Inseln bei Kaisermühlen getrieben wurden.

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"Entdeckt" wird das erste große stehende Wasser der Stadt vom Lebensreformer Florian Berndl, der um 1900 einen Teil der "wertlosen Schotterinsel" pachtet, offiziell um hier Edelweiden zu kultuvieren. Tatsächlich schafft Berndl ein "Freizeitparadies für ein großbürgerliches Publikum", so Kuratorin Susanne Breuss. Das "Inselparadies" wird schnell zum Stadtgespräch und wegen seiner "Sittenwidrigkeit" angeprangert. 1907 wird Berndls Vertrag gekündigt und die Stadt Wien eröffnet unter Bürgermeister Karl Lueger ein kommunales Bad.

Foto: dasrotewien.at/Weblexikon der Wiener Sozialdemokratie

Bereits vor dem Ersten Weltkrieg entwickelt sich das Gänsehäufel zu einer gut organiserten Freizeitoase, die ganz auf die Lido-Kultur setzt. "Der Name 'Strandbad' wurde bewusst gewählt", erklärt der Kurator der Ausstellung Hans-Christian Heintschel.

Foto: Sammlung Peter Payer

Neben der Bademöglichkeit gibt es zu dieser Zeit auch Sandkuren und Live-Musik, für das leibliche Wohl sorgt eine floriende Gastronomie.

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Zur großen Zäsur kommt es 1945 als das Bad durch den Bomben im Zweiten Weltkrieg zerstört wird. Bereits 1950 wird das Gänsehäufel in Anwesenheit von Bürgermeister Theodor Körner neu eröffnet. Das nach Entwürfen von Max Fellerer und Eguen Wörle errichtete Bad gilt als Beispiel gebend für die Freizeitarchitektur dier Ära - im Bild die Kabinentürme im Wiedereröffnungsjahr 1950.

Foto: Wien Museum

Dokumentiert werden in der Ausstellung auch die veränderten Badesitten, von den strengen Bestimmungen der Anfangszeit bis zum heutigen FKK-Areal.

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So wurde das Publikum in der Frühzeit des Bades streng getrennt: in Frauen-, Männer- und Familienbad. Damit auch Singles die Freuden des "Gemischtbadens" genießen konnten, florierte vor der Kassa eine inoffizielle "Heiratsbörse".

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Überhaupt ortet Heintschel für das Gänsehäufel der Nachkriegszeit eine Kultur der "Bequemlichkeit des Bades", zu der Sport und das heutige Wellenbad ebenso gehören wie die Bereiche, die ein "Abtauchen" aus dem Badetrubel erlauben.

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Einen wesentlichen Grund für den anhaltenden Erfolg des Gänsehäufels sieht Ausstellungskurator Heintschel gerade in den Ruhezonen des Bades, zu denen auch das FKK-Areal gehört.

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Welcher Art die Unterhaltungsangebote in den vergangenen Jahrzehnten im Gänsehäufel waren, dokumentiert unter anderem ein Plakat des "Wiener Ferien Clubs". Bestätigt wird hier auch die Einschätzung von Wolfgang Kos, "Strandbäder in der Stadt sind Urlaubsbäder".

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Fest verklammert mit Urlaubs- und Bade-Feeling ist für viele der Eisgenuss. Eine Eskimo-Eistafel in der Ausstellung dokumentiert das Angebot in den Jahren 1965 bis 1970.

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Von den Gewohnheiten der Gänsehäufel-Besucher zeugen diverse Utensilien, vom Rucksack wie er bis in die 1950-er Jahre für den Transport von Badesachen weit verbreitet war ...

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... über eine Kühltasche in unverkennbarem 70-er-Jahre-Design ...

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... bis zum unerlässlichen Sonnenschutz im Wandel der Zeit.

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Ein weiterer Schwerpunkt der Ausstellung gilt der natürlichen Umgebung des Gänsehäufels, von den Tieren am Land ...

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... über das - stets überwachte - Wasser ...

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... bis zu den - mitunter erschreckend großen - Fischen im Wasser.

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Neben historischen Filmaufnahmen sind in der Ausstellung auch aktuelle Interviews mit Stammgästen des Gänsehäufels zu sehen. Die Wartezeit für die so genannten Kabanen, die nur ein bis dreieinhalb Quadratmeter großen Vorbaukabinen, beträgt derzeit fünf Jahre.

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Dass das Gänsehäufel aber auch abseits der Badesaison über einen ganz eigenen Reiz verfügt, beweist eine im Winter aufgenommene Fotoserie von Markus Krottendorfer gegen Ende der Ausstellung. (glicka)

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"Am Gänsehäufel. Ein Strandbad wird 100"
Wien Museum Karlsplatz
1040 Wien

19. Juli bis 7. Oktober 2007
Dienstag bis Sonntag und Feiertag 9 bis 18 Uhr
www.wienmuseum.at

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