Getestet und für gut befunden: Das Teilnehmerinnenfeld in Lang-Lebring.

foto: munk

Keine billigen Tricks, sondern wertvolles Training: Der Damen-Pulk bei der Ausfahrt.

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Warum mach ich das eigentlich? Für die Beantwortung der Frage bleiben mehr als zwei Stunden Zeit, zwischen Wien und dem Fahrtechnikzentrum des ÖAMTC in Lang-Lebring. Was ich finde sind harte Facts: Mit 39 Jahren bildet sich frau ein: Jetzt muss ein Motorrad her! Der A-Schein wurde vor 18 Jahren amtlich abgestempelt - und nie verwendet.

Was stark fürs Easy Riding spricht sind verlockende Aussichten: den täglichen Stau umkurven, nie mehr Parkplatz suchen, nie mehr Parkscheine vergessen. Und weil frau nicht blöd ist und sich nicht gleich ein heißes Eisen kauft, heißt es erst einmal ab zum Womens Biking, wo die fixe Idee auf zwei wirkliche Räder gestellt wird.

Viele Schnupperinnen

Die Arge 2Rad initiiert seit drei Jahren Trainingstermine speziell für Frauen. Gemeinsam mit ÖAMTC und Manfreds Motorradreisen trainieren Frauen Bremsen, Kurventechnik und bei Bedarf Schleudertechnik. Mehr als 300 Frauen haben im Vorjahr dieses Gratis-Service in Anspruch genommen. "30 Prozent der Anmeldungen heuer sind Schnupperinnen, die selbst kein Motorrad haben" klärt Karin Munk, Sprecherin der Arge 2Rad auf.

Eine Neuerung gibt es dieses Jahr: erstmals machen die Frauen nach dem dreistündigen Training eine Ausfahrt mit Picknick. Damit reagiert man auf den Wunsch vieler Frauen. Doch Achtung: nur die Frühaufsteherinnen, die um 8 Uhr trainieren beginnen, fahren auf dem 140 Kilometer Kurs durch die hügelige Südsteiermark.

Bunte Mischung

Zurück zum Training: Die Motorradfront sieht idyllisch aus. Zwischen Kukuruz-Acker und sanften Hügeln liegt das asphaltierte Testgelände südlich von Graz. Am Parkplatz glänzen Harleys neben Suzukis und Yamahas. Die Könnerinnen in Ledermontur stehen locker daneben. Manche befranst, andere mit Stonewash-Effekt bei Hose und Jacke.

Auf der Terrasse treffen sich alle, rauchen eine letzte Zigarette und bestaunen den Parcours. Gruppenaufteilung wie am Schikurs: Wer fährt langsam? Wer will mittlere Geschwindigkeit? Wer rast gerne? Neun Frauen kommen zum mittelschweren Kurs. Zwei bleiben für die langsame Anfängergruppe. Für mich als Anfängerin wird das folglich wie ein Privatunterricht.

Herantasten

Wiederanfängerinnen und Langsamfahrerinnen fahren mit Trainerin Isolde. Nach einer Blickkontrolle von Kopf bis Fuß wird mir eine Yamaha 125er "Du fährst am besten mit einer Kleinen" zugeteilt. Das silbergraue etwas kantige Ding passt für meine Beinlänge optimal und fühlt sich leicht an. Gas rechts, Bremse rechts, Kupplung links – langsam kommt die Erinnerung. "Am wichtigsten ist der Notausschalter, falls du die Kontrolle verlierst." erklärt Isolde.

Nach wenigen Minuten geht es los. Die erste Runde ruckelnd, dann immer sicherer. Isolde kümmert sich geduldig um mich blutige Anfängerin und Marie. Die 54-Jährige sitzt auf einer Yamaha 500er, machte vor einem Jahr den Führerschein und will jetzt "mehr Sicherheit."

Kurvenstudium

Und weiter geht's: Jetzt heißt es Kurventraining. Drücken und in der Hüfte abknicken, ist der Auftrag. Es ist absurd: Wer links kurven will, drückt das Vorderrad nach rechts. Es funktioniert. Slalom hin und zurück und wieder umdrehen. Bis nach einer halben Stunde das schwingende Gefühl da ist und nicht das Motorrad fährt, sondern von mir gefahren wird. Weiter zum Bremstraining: erst hinten, dann nur vorne erst dann mit beiden Bremsen – eine Koordinationsübung quasi.

Das rechte Gefühl fürs Bremsen will sich nicht so rasch kommen. "Du hast wieder zu spät angefangen. Nochmal.", sagt Isolde. Beim nächsten Mal passiert mir ein Klassiker: Bremsen und gleichzeitig ungewollt am Gas bleiben. Der Motor heult auf. "Gut, dass du die Kupplung gezogen hast, sonst wärst du jetzt gestürzt", lobt die Trainerin. Die letzte Stunde bleibt den Kurven: den großen, kleinen, denen, die immer enger werden und das ganze links herum und rechts herum.

Gefühlswelt

Nach drei Stunden passt das Gefühl, sind Unsicherheit und Anstrengung von Begeisterung, Freiheit und sonst was gewichen. Bei der Rückfahrt reitet mich ein anderer Teufel: Wo bekomme ich rasch ein billiges Motorrad her? (Text: Priska Koiner, Fotos: Karin Munk, derStandard.at, 16.7.2007)