Warschau – Der entlassene polnische Vize-Ministerpräsident und Landwirtschaftsminister Andrzej Lepper hat die Forderung nach raschen Neuwahlen aufgegeben. „Wir können den Staat nicht destabilisieren“, sagte er am Donnerstag in der Früh in einem Radiointerview. Gleichzeitig schloss Lepper nicht aus, dass Angehörige seiner populistischen Bauernpartei Samoobrona (Selbstverteidigung) in die Korruptionsaffäre verwickelt sind, die zu seiner Entlassung führte.

Kein Ultimatum

Noch gestern hatte Lepper mit vorgezogenen Parlamentswahlen gedroht, sollte die staatliche Anti-KorruptionsBehörde CBA nicht bis Freitag das Beweismaterial offen legen, dass angeblich gegen ihn spricht. Diese Forderung ließ Lepper nun ausdrücklich fallen. Premier Jaroslaw Kaczynski von der rechtskonservativen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) hatte am Montag Leppers Entlassung aus der Regierung damit begründet, der Samoobrona-Chef gehöre zum „Kreis der Verdächtigen“ in einer Korruptionsaffäre.

Der Rückzug der Samoobrona aus der Regierungskoalition und vorgezogenen Neuwahlen standen im Raum. Lepper, der wiederholt seine Unschuld beteuert hat, _besteht allerdings auf der Einrichtung eines parlamen_tarischen Untersuchungsausschusses rund um die Korruptionsaffäre und die Regierungskrise in Warschau. „Die Sache muss vom Anfang bis zum Ende aufgeklärt werden“, erklärte er. Er erneuerte auch seinen Vorwurf, die Ermittlungen der CBA seien mit dem Ziel geführt worden, die Samoobrona zu spalten.

Premier Kaczynski erneuerte unterdessen den Verdacht gegen Lepper. „Er ist gerade noch einmal der Guillotine entkommen“, zitierte ihn die Tageszeitung Dziennik. Polnische Zeitungen berichteten unter Berufung auf anonyme Quellen, dass der Ex-Minister von einem Geheimdienst-Mitarbeiter gewarnt wurde und deshalb die angeblich für Freitag geplante Übergabe von Schmiergeld platzen ließ.

Die polnische Opposition hat die Ermittlungsmethoden der CBA als illegal kritisiert und will dies noch am Donnerstag im Geheimdienstausschuss des Parlaments zur Sprache bringen. „Das war keine Provokation, sondern die Anstiftung zu einer Straftat“, sagte auch Zbigniew Cwiakalski, Rechtswissenschafter an der Krakauer Universität in einem Radiointerview.

Agent provocateur

Verdeckte Agenten der CBA waren im Jänner nämlich an Mitarbeiter des Landwirtschaftsministeriums herangetreten und hatten ein _Korruptionsangebot unterbreitet. Nach Angaben von CBA-Chef Mariusz Kaminski ging es dabei um die Umwidmung von Acker- in Bauland. Die Ministeriums-Mitarbeiter hätten drei Mio. Zloty (794.807 Euro) für die illegale Maßnahme gefordert, so der CBA-Chef. (DER STANDARD, Printausgabe, 13.7.2007)