In der Kirche im Entführungsort Praia da Luz hängt ein Bild von Madeleine mit der Aufforderung "Bete für mich", möglicherweise ist sie in den Händen eines Pädophilenrings.

Foto: Marot
Demnach wurde das vierjährige Mädchen von einem europaweit agierenden Pädophilenring entführt.

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Portimão/Praia da Luz – Im Wirrwarr der Spuren um die seit 72 Tagen vermisste vierjährige Britin Madeleine McCann kristallisiert sich eine heraus: Sie führt den Recherchen des spanischen Aufdeckungsjournalisten Antonio Toscano zufolge zum 57-jährigen Bernard Alapetite, der bereits 1997 in Frankreich verhaftet worden war – als Chef eines Pädophilennetzes.

Die französische Justiz verurteilte ihn zu drei Jahren Haft, nur eineinhalb davon verbüßte er, da man ihn als "Konsument" einstufte. Alapetite ist Pornoproduzent der homosexuellen Schiene und wird der Rechtsaußen-Partei von Jean Marie Le Pen zugerechnet.

Bereits am 7. Juni sagte Toscano zur Tageszeitung El Mundo, dass "El Francés", wie Alapetites Deckname lautet, für Madeleines Entführung verantwortlich sei; auf Basis seiner neunjährigen Erfahrung mit verdeckten Recherchen im Milieu. Nun überreichte Toscano, der davon überzeugt ist, dass das Pädophilennetz von einigen Mitgliedern der Justiz gedeckt wird, seine Daten der portugiesischen Policia Judicaria. Die zeigte sich nicht sehr überzeugt, will sie aber genau überprüfen.

Die Ermittler konzentrierten sich auf den bisher einzig offiziellen Verdächtigen, den 33-jährigen Briten Robert M., der in der Nähe des Entführungsorts lebt. Toscano ist von dessen Unschuld überzeugt: "Er ist nur ein Sündenbock."

Als der Journalist am 27. Juni die portugiesischen Ermittler erstmals aufsuchte, wurde tags darauf nahe Algeciras in einer Luxusresidenz namens Valgrande der Italiener Danilo C. und seine portugiesische Lebensgefährtin Aurora P.V. verhaftet (der Standard berichtete).

Sexualverbrechen

Laut Toscano hat Danilo C. direkte Verbindung zu Alapetite. Als Danilo C. in Nizza wohnte, wurde demnach sein Haus von Alapetite sowie vom Präsidenten der Provinz Castellón, Carlos Fabra, und dem Ex-Präsidenten des Fußballclubs AC Milan des Öfteren besucht. In Gerichtsakten, die bereits 2002 in Castellón eingereicht wurden, bezichtigen misshandelte Kinder Farina, Fabra und einen Alapetite mehrerer Sexualverbrechen, die in der Bar España in Benicarlo begangen wurden.

"Madeleine ist am Leben", sagt Toscano mit Überzeugung. Mit dem Medienrummel sei ihr Preis gestiegen, und Alapetite habe sie noch nicht verkauft. Bis zu 400.000 Euro seien die Kinder "wert", und die maximal zehnminütigen Clips über Kinderschändung kosten zwischen 1000 und 18.000 Euro. "Der Umsatz der Branche kann sich mit dem Drogenhandel messen."

Telefonkontakt

Toscano weiß auch aus Kreisen der Ermittler von einem Telefongespräch, eine Woche vor Madeleines Entführung, in dem Alapetite Kontakt zu Freunden an der Algarve aufgenommen hat. "Das Netz verfügt über eine ausgedehnte Logistik", meint der Journalist, "Madeleine wurde höchstwahrscheinlich schon in England ausgewählt, da ihr Aussehen den Geschmack vieler Pädophiler trifft."

Nach dem Bericht von El Mundo über Toscanos Recherchen wird nun der zuständige Generaljustizdirektor Antonio Gasbaldi Matteo die ad acta gelegten Fälle aus Castellón und um das Netzwerk wieder aufnehmen. Mitkläger ist die Organisation Aviscin, die für die Rechte sexuell missbrauchter Kinder in einem korrupten Justizsystem kämpft. (Jan Marot aus Sevilla, DER STANDARD - Printausgabe, 13. Juli 2007)