In den vergangenen Tagen habe ich auf einer USA-Reise Gelegenheit gehabt, Apples iPhone unter die Lupe zu nehmen. Der ausführliche Testbericht folgt, hier geht es im Hinblick auf die im Herbst erwartete europäische Premiere um die bewundernswerte Art, wie Apple seine Kunden bindet. "Bewundernswert" vor allem aus Unternehmenssicht, für potenzielle Kunden wäre "abschreckend" zutreffender.

Elegant

Aus der eleganten Schachtel heraus ist das iPhone ein unzertrennlicher PC- oder Mac-Kompagnon: Über Apples Multimediasoftware iTunes gehören iPhone und PC so zusammen wie iPod und PC. Damit löst Apple vom Start weg eine wesentliche Voraussetzung für Multimedia-Handys besser als die etablierte Konkurrenz: die Frage, wie man Adressen und Termine, Musik und Videos, persönliche Bookmarks und anderes mehr auf ein neues Handy transferiert und mühelos auf dem Laufenden hält.

Mit der Paarung wird aber noch eine zweite Unzertrennlichkeit hergestellt: Eine de facto unlösbare Bindung an den Mobilfunker, in den USA AT&T, in Europa noch nicht bekannt. Das passiert bereits bei der Aktivierung, die nicht im Geschäft, sondern über iTunes erfolgt: Anmeldung, Tarifwahl und Besiegelung der zweijährigen Handy-Provider-Benutzer-Ehe per Kreditkarte.

Frist

So weit, so gut, auch derzeit werden Verträge mit zweijähriger Mindestfrist unterschrieben, vor allem wenn ein teures Handy als Morgengabe beigegeben wird. Hier liegt bereits ein wesentlicher Unterschied, denn Apples iPhone kostet 500 oder 600 Dollar, was sich auf mindestens 500 oder 600 Euro umrechnen wird. Mit anderen Worten: Man kauft das iPhone, der Provider legt nichts oder nur wenig darauf.

Nun gibt es Vorteile guten Zusammenspiels zwischen Handy und Provider, die über etablierte Mobilfunkstandards hinausgehen. Etwa der "visuelle Anrufbeantworter" des iPhones, der Nachrichten auf dem Display anzeigt und ihren Abruf in freier Reihenfolge ermöglicht. Nokia hat über die Jahre viele clevere Funktionen entwickelt, z. B. die Erreichbarkeit von Personen im Adressbuch anzuzeigen (abwesend, nur Textnachrichten, in einer Stunde wieder zu erreichen etc.). Die praktische Funktion ist durchgefallen, weil kein Provider darauf eingestiegen ist.

Zwang

Aber diese Kooperation ist nicht zwingend, allenfalls stehen solche Funktionen nach einem Wechsel nicht zur Verfügung. Und im Lauf von zwei Jahren kann es viele gute Gründe zur Kündigung geben: Schlechte Netzqualität, billigere Preise der Konkurrenz, oder einfach der Wunsch, als Kunde König sein zu wollen, was das Recht zur Kündigung aus Lust und Laune inkludiert.

Das ist zwar um 175 Dollar auch beim Apple-AT&T-Deal möglich. Aber damit verwandelt sich das iPhone zu gehobenem Elektroschrott, weil es ausschließlich mit AT&T funktioniert.

Enteignung

Funktional läuft dies auf Enteignung hinaus; Apple hat bisher noch nicht einmal bekannt gegeben, ob das iPhone vertragslos zumindest als Multimediagerät (Internet via Wifi) erhalten bleibt – oder ob iTunes das Gerät beim nächsten AT&T-Check einfach wieder deaktiviert. Mündige Konsumenten können sich trotzdem sehenden Auges für iPhones entscheiden, ihren Vertrag zwei Jahre lang "abdienen" und den Kaufpreis danach abschreiben. Kundenfreundlichkeit sieht anders aus: Von der Musikindustrie verlangt Apple zu Recht den Verzicht auf Kopierschutz – Steve Jobs sollte sich diese Philosophie bei eigenen Produkten zu Herzen nehmen. (Helmut Spudich, DER STANDARD Printausgabe, 12. Juli 2007)