Jeweils montags und donnerstags eine Stadtgeschichte Thomas Rottenberg

Es war vorgestern. Da schrieb M. ein Mail. Ein kurzes zwar – aber oft sind das ja die, an denen man dann am längsten kiefelt. M. schickte ein Bild – und ein paar kurze Zeilen.

Das Bild zeigte ein Schild. Einen Warnhinweis. Und zwar einen von denen, die in Wien in der einen oder anderen Version an allerlei Orten zu finden sind – und bei deren Bewertung sich Juristen dann meistens sehr rasch einig sind: So leicht dürfe man es sich als Betreiber von Diesem & Jenem nämlich nicht machen – ein Haftungsausschluss sei nicht garantiert, wenn man an einer Baugrube schriftlich darauf hinweist, dass Eltern Schuld sind, wenn der Nachwuchse in die Künette stürzt. Auch wenn der Zaun nur ein Zaun-Zitat ist oder eine offene Einfahrt lockt.

Gottesurteil-Schild

Aber Wiens Parks sind keine Baustellen. Und M. hatte auch kein "Glatteis? Ätsch"- oder "Dachlawinen sind ein Gottesurteil"-Schild fotografiert. M. war nämlich im Volksgarten gewesen. Dem vermutlich pilcheresk-zahnschmelzzersetzend-lieblichsten Parkidyll der Wiener Innenstadt. Inklusive Rosengarten und Irrsinnspreismeierei.

M war, vermute ich, dort in der Sonne gelegen und hatte – unterstelle ich – den Mädchen beim In-der-Sonne-liegen zugeschaut. Schließlich ist Sommer. Und bei Sonnenschein, Rosenduft und Idyllheckenschnitt darf man da schon ein wenig schwelgend im Gras liegen.

Schwummerig

Aber als M. dann den Park verließ, wurde ihm wohl kurz ein bisserl schwummerig. Vielleicht taumelte er ja sogar kurz, musste sich festhalten und niedersetzen: Wie trügerisch das Bild doch gewesen war! Wie heimtückisch! Und hätte es M. da nicht die kehle zugeschnürt, wäre er bestimmt zurück in den park gelaufen. Laut rufend und mit den Händen fuchtelnd: "Steht auf! Rasch! Lauft weg! Raus aus dem Park! Seht ihr denn nicht, dass ihr in Lebensgefahr schwebt?"

Doch vermutlich hätten all die Sonnenlieger, Rosenriecher, Brunnenbeobachter und Flaneure M. nur ausgelacht. Oder sich an die Stirn getippt: Wenn schon der Volksgarten gefährlich ist – was ist dann der Rest der Stadt?

Wachrütteln

So wandte sich M. an mich. Mit der Bitte um Hilfe: Irgendwer muss das Volk doch aufklären. Wachrütteln. Warnen. Schließlich hängt da doch dieses Schild – und wird, scheint es, von allen übersehen. Drum hat M. es fotografiert: "Wegen Sturm im gesamten Parkbereich Lebensgefahr" warnen da "die Bundesgärten". Zweisprachig und seit Jahren.

M. ist nun gleich mehrfach verwundert: Wie schaffen es die Bundesgärtner, den demnach seit Jahren im Park wütenden Sturm hinter Rosen und Hecken zu verbergen? Werden da gar Sturmopfer – Verletzte und Tote – konsequent totgeschwiegen? Und: Warum schreitet niemand – nicht einmal die Bezirksvorsteherin - ein und sperrt diese permanente Todesfalle?

M. ist jetzt ein bisserl verunsichert. Denn dass bei den Bundesgärten wirklich niemand den Unterschied zwischen "wegen" und "bei" kennt, kann und will er nicht glauben. (Thomas Rottenberg, derStandard.at, 12.7.2007)