Bild nicht mehr verfügbar.

Deutsch-brasilianische Kindergruppe 'Estrelinha' in München.

Foto: Jan Pitman/Getty Images

Die deutsche Bertelsmann-Stiftung führte in den Jahren 2004/2005 gemeinsam mit dem Innenministerium einen Wettbewerb unter Gemeinden durch, in dem die Integrationsmaßnahmen prämiert wurden. Die Auswertung der eingereichten Konzepte ergab, dass sich immer mehr Kommunen statt eines Integrationsressorts oder –beauftragten für einen breiteren Ansatz entscheiden – Integration wird zur gesamtstädtischen Querschnittsaufgabe.

 

Darunter fallen zum Beispiel wie ein höherer Migantenanteil in der Verwaltung oder der Abbau von Barrieren, die Zugewanderten den Zugang zu Dienstleistungen der Kommune erschweren (z.B. mehrsprachige Formulare). Ein wichtiger Aspekt ist auch die Eingliederung ethnischer Minderheiten in das Gemeindewesen. Besonders auf Stadtteilebene bieten sich zahlreiche Möglichkeiten, soziale Integration und die interkulturelle Kompetenz der Aufnahmegesellschaft zu stärken.

Beispiel Dresden

Die Studie hebt das Beispiel Dresden lobend hervor: dort sind etwa 40 Migrantenvereine aktiv, die mit Unterstützung der Kommune bei der Wahrnehmung von Rechten, bei Behördengängen sowie bei der Arbeitssuche helfen, Sprachkurse und Dolmetscher vermitteln und Veranstaltungen wie Sommerfeste im Asylbewerberheim organisieren. Studenten der TU Dresden führen seit mehreren Jahren kostenlose Deutschkurse durch.

Außerdem gibt es einen als Verein organisierten „Ausländerrat“, der sich kritisch zu politischen Themen äußert, die Ausländerbelange berühren. Er unterstützt Demonstrationen und Aufrufe gegen rechte Gewalt, kümmert sich um konkrete Fälle von Diskriminierung und betreibt ein „Internationales Begegnungszentrum“.

Beispiel Solingen

Seit die westdeutsche Stadt 1993 durch einen Brandanschlag Rechtsradikaler gegen eine türkische Familie, bei dem fünf Menschen starben und sieben verletzt wurden, in die Schlagzeilen kam, bemüht man sich hier besonders um Integration.

So werden bei der Bezirksarbeit mit Bürger- und Nachbarschaftsvereinen Migrantenfamilien durch direkte Ansprache und muttersprachliche Informationen verstärkt einbezogen. Im Jugendstadtrat stammen vierzig Prozent der gewählten Vertreter aus Migrantenfamilien. Um Zugewanderte zur Teilnahme an Arbeitskreisen, Workshops und Bürgerversammlungen zu ermutigen, gibt es einen mobilen Übersetzungsdienst: Vierzig Mitarbeiter helfen, Sprachbarrieren zu überwinden.

Sprachkurse für Mütter

In Stuttgart verfolgen spezielle „Mama-lernt-Deutsch-Kurse“ in Schulen neben dem Deutschlernen das Ziel, Mütter mit dem Schulalltag und ihrem Lebensumfeld besser vertraut zu machen. Parallel werden die Lehrkräfte interkulturell geschult. Im Landkreis Hersfeld-Rotenburg bietet der „Fachdienst Migration“ eine Kinderbetreuung in der hauseigenen „Kindertagesbörse“ an, damit Mütter an Qualifizierungs- und Spracherwerbsangeboten teilnehmen können.

Eine kürzlich veröffentlichte Nachfolgestudie beschäftigt sich nun mit der Frage, wie viel Geld der Verzicht auf integrationspolitische Maßnahmen kostet. Wenn zum Beispiel bestimmte Zuwanderergruppen höhere Arbeitslosenraten sowie niedrigere Bildungsabschlüsse aufweisen, gehen die Verfasser der Studie davon aus, dass sich dies nicht mit längerer Aufenthaltsdauer automatisch bessern wird, sondern empfehlen aktive Integrationsmaßnahmen.

Ein Faktor für die Berechnung der Kosten von des Verzichts auf Integrationsmaßnahmen ist die Steuerleistung: die Autoren merken an, dass Zuwanderer, die 25 Jahre in Deutschland sind, durchschnittlich 3.100 Euro mehr Steuern zahlen als jene, die erst seit zehn Jahren im Land sind.

Als Kriterium für erfolgreiche Integration nimmt die Studie messbare Größen wie Beteiligung am Arbeitsmarkt, Sprachkompetenz und erfolgreiche Schulabschlüsse an. Besonders die Sprache stellt einen als Schlüsselfaktor dar: Unter Berufung auf OECD-Studien heben die Autoren die Wichtigkeit externer Kleinkinderbetreuung und gemischter Schulklassen hervor.

Integration und Arbeitsmarkt

Die Stadt Osnabrück stellte fest, dass Migranten selbst mit gleich guter Qualifikation und ausreichenden Sprachkenntnissen gegenüber deutschen Bewerbern deutlich schlechtere Chancen auf eine Anstellung haben. Um dem entgegenzuwirken, wurde mit EU-Förderung eine Initiative ins Leben gerufen, die zum einen diese Benachteiligung auf dem Arbeitsmarkt bekämpfen und zum anderen die spezifischen Fähigkeiten von Migranten für den Arbeitsmarkt stärken soll. So werden regelmäßige „Spitzengespräche“ mit Vertretern aus Wirtschaft und Politik veranstaltet, Handel und Dienstleister sollen dafür sensibilisiert werden, die Wettbewerbsvorteile einer interkulturellen Belegschaft zu erkennen. Die Gemeinde als Arbeitgeber bemüht sich, Migranten zu einer Bewerbung zu ermutigen und interkulturellen Kompetenzen einen angemessenen Stellenwert einzuräumen.

Die neue Studie hält fest, dass die Beschäftigungsquote der zugewanderten Bevölkerung anfangs unter der der Aufnahmegesellschaft liegt, diese Werte sich mittelfristig (laut OECD 13 Jahre) aber angleichen. Als Maßstab für erfolgreiche Integration wird das Lohnniveau verwendet: eine Analyse aus dem Jahr 2004 stellt fest, dass Zugewanderte im Schnitt 20-25 Prozent weniger verdienen als der Bevölkerungsdurchschnitt. Dies gilt nicht für Arbeitnehmer aus dem EU-Raum, deren Einkommen rund 20 Prozent über dem deutschen Durchschnitt liegt. (bed)