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Ein verletzter Koranschüler wird in ein Spital gebracht.

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der Bruder eines anderen Schülers in der Roten Moschee ist verzweifelt. Die Armee eroberte bis zum Abend die Hochburg der Islamisten im Regierungsviertel.

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Grafik: Standard
Heftige Kämpfe zwischen der pakistanischen Armee und radikalen Islamisten haben die in einem ruhigen Viertel von Islamabad gelegene Rote Moschee am Dienstag in ein Schlachtfeld verwandelt. "Überall sind Leichen", berichtet ein Augenzeuge telefonisch aus dem Innern des Gebäudes.

Nach stundenlangen ergebnislosen Verhandlungen mit den dort verschanzten Rebellen hatten die Sicherheitskräfte am frühen Morgen mit der Erstürmung begonnen. Am Abend war die Moschee erobert.

Anführer getötet

Der Anführer der Extremisten, Abdul Rashid Ghazi, der Bruder des Leiters der Moschee, stirbt bei den Kämpfen. Ghazi sei im Untergeschoss der Moschee gesichtet und aufgefordert worden, sich zu stellen, sagte ein Ministeriumssprecher. "Er kam heraus mit vier oder fünf Kämpfern, die auf die Sicherheitskräfte feuerten." Diese hätten das Feuer erwidert. Ghazi und seine Begleiter seien im Kreuzfeuer umgekommen. Die Leiche sei noch nicht geborgen, so der Sprecher.

Die genauen Umstände des Todes von Ghazi, der als eine Symbolfigur der Radikalen galt, blieben zunächst im Dunkeln. Nach unbestätigten Medienberichten soll der 1964 geborene Mann während der Gefechte zunächst von einer Kugel ins Bein getroffen worden sein. Nach einer Version soll er es auch danach noch abgelehnt haben, aufzugeben; nach einer anderen soll er von den Kugeln seiner eigenen Kämpfer getroffen worden sein, als er sich habe ergeben wollen. In seinem letzten Interview kurz nach Beginn des Militäreinsatzes hatte er erklärt: "Wir wurden aufgefordert, uns zu unterwerfen, aber wir haben es abgelehnt. Wir werden sterben, aber das Volk wird Rache nehmen an den Machthabern."

Koranschule brennt

Mindestens 60 Islamisten und acht Soldaten kamen in den ersten Stunden ums Leben. Der Sturm auf die Moschee begann im Morgengrauen: Am Vormittag steigt dichter Rauch über dem Gebäudekomplex auf. Starke Explosionen erschüttern auch das nahe gelegene Botschaftsviertel. Augenzeugenberichten zufolge brennt auf dem Moscheegelände die Koranschule für Frauen.

Die genaue Zahl der Toten durch die "Operation Stille" stand am Abend noch nicht fest - es wurden jedoch sehr viel mehr Opfer befürchtet. Behördenvertreter vor Ort hätten dreihundert Leichensäcke angefordert, berichtete der Nachrichtensender "Dawn" am Dienstagabend. 17 Stunden nach ihrem Beginn im Morgengrauen lieferten sich Spezialeinheiten nach Angaben des Inneministeriums weiter Kämpfe mit schwer bewaffneten Extremisten.

Etwa 50 Koranschüler und 30 Koranschülerinnen seien "befreit" worden, hieß es. Darunter sei auch die Frau des am vergangenen Mittwoch auf der Flucht gefassten Leiters der Roten Moschee, Maulana Abdul Aziz. Unklar war, wie viele der Koranschüler - wie vom Militär behauptet - gewaltsam von den Radikalen festgehalten worden waren und wie viele freiwillig in der seit einer Woche belagerten Moschee ausgeharrt hatten. Augenzeugen berichteten, angeblich Befreite hätten "Allah akbar" ("Gott ist groß") gerufen, als sie den Komplex verlassen hätten.

Dutzende Krankenwagen pendeln zwischen Krankenhaus und der Moschee, um Verletzte abzutransportieren. Der Augenzeuge im Innern der Moschee spricht von einem "wahllosen Töten". Er benutzt für das Gespräch mit der Nachrichtenagentur AFP noch das Telefon des Anführers der Islamisten, Abdul Rashid Ghazi.

Serie von Explosionen

"Es gibt keinen Kontakt untereinander, weil niemand die Räume und Keller verlassen kann", sagt der Augenzeuge, der nicht genannt werden möchte. Immer wieder wird das Gespräch durch Explosionsgeräusche unterbrochen. "Die Studenten sind in verschiedenen Gebäuden. Sie sind entschlossen, bis zum Tod zu kämpfen", sagt der Mann. Ghazis Mutter sei am Qualm einer Explosion erstickt.

Rund 50 islamistische Kämpfer nutzen nach Angaben des Armeesprechers Waheed Arshad eine kurze Feuerpause am Vormittag, um aus dem umkämpften Gebetshaus zu fliehen. Drei Viertel des Geländes habe die pakistanische Armee seit Beginn des Sturms auf die Moschee bereits von den Islamisten befreit, sagt der Sprecher. Dabei seien die Soldaten auch von den Minaretten aus beschossen worden. "Sie haben die Heiligkeit der Moschee verletzt", sagt Arshad über die Islamisten.

Vor der Moschee warten verzweifelte Eltern auf Neuigkeiten von ihren Kindern, die sich noch auf dem Gelände befinden sollen. "Wenn ich die Explosionen und die Schüsse höre, fühle ich, dass sie meine Brust durchbohren", sagte Maqsood Hussain, der auf seinen 14-jährigen Sohn wartet. Die Armee hat ihm und anderen Eltern zwar mit Lastwagen die Sicht auf das Gebetshaus verstellt, aber die Kampfgeräusche und den aufsteigenden Rauch kann sie damit nicht blockieren.

Im Keller verschanzt

Etwa hundert kampfbereite Männer verschanzen sich nach Armeeangaben noch weiter in den Kellern der Moschee. Mit Maschinengewehren, Granaten und Raketenwerfern leisten sie "heftigen Widerstand" und halten 300 bis 400 Koranschüler, darunter Frauen und Kinder, als menschliche Schutzschilde fest. Die Anführer der Moscheebesetzer bestreiten das. Wer nicht mit erhobenen Händen das Gebäude verlasse, werde erschossen, rufen die Soldaten über Lautsprecher. (APA/red/Masroor Gilani aus Islamabad, AFP/DER STANDARD, Printausgabe, 11.7.2007)