Luigi Malerba, "Römische Gespenster", aus dem Italienischen von Iris Schnebel-Kaschnitz, € 20,10 / 233 Seiten, Verlag Klaus Wagenbach, Berlin

Foto: Wagenbach
Wenn in einer Ehe beide Partner einander betrügen, könnte man meinen, das würde sich ausgleichen und wäre in Ordnung. Ist es aber nicht. Schließlich kann Giano seiner Frau Clarissa die Untreue nicht vorwerfen, ohne gleichzeitig seine eigene zu gestehen.

In seinem jüngst auf Deutsch erschienenen Roman Römische Gespenster widmet sich Luigi Malerba einem Thema, das für sein Schreiben kein neues ist: komplizierten Liebesbeziehungen. Kapitel für Kapitel wechseln sich die Hauptfiguren in privaten Notizen im Erzählen ab. Die Eheleute haben längst die Übereinkunft getroffen, die Geheimnisse des anderen zu akzeptieren und ihre Konversation auf intellektuelle, aber unpersönliche Themen zu beschränken. Gianos Beruf gibt da viel Stoff her: Als Universitätsprofessor für Stadtplanung hat er eine radikale Theorie entworfen, und zwar jene der urbanistischen Dekonstruktion. Vorerst für Rom geplant, sieht die utopische Idee vor, ganze Viertel der Stadt zu zerstören und zwecks einer idealen Anordnung von Wohn-, Einkaufs- und Grünflächen neu zu erbauen.

Ausgerechnet einen diese Ideen belächelnden Fachkollegen hat sich Clarissa als Geliebten gesucht, erst später stellt sich heraus, dass ihr wirklich an ihm, Zandel, liegt. Um sie elegant wissen zu lassen, dass er um ihre Affäre weiß, beginnt Giano, immer besessener, einen Roman über seine unaufrichtige Ehe zu schreiben, lässt das Manuskript offen liegen und es somit Clarissa in Ruhe lesen.

Die wechselnde Erzählerperspektive ist eine Form, die Malerba bereits erprobt hat. Schon in König Ohneschuh ließ er ein Paar dessen nicht eben lineare Liebe in wechselnden Notizen schildern: Odysseus und Penelope. Für ihn ungewöhnlich, ein derart markantes Stilmittel zweimal zu verwenden. Malerba ist ein kurzweiliger Romancier, der ständig mit neuen Varianten des Schreibens spielt, Erwartungen bewusst enttäuscht.

Man kann ihn als beständigsten ideellen Veteranen des italienischen - in Anlehnung an die deutsche "Gruppe 47" gegründeten - neoavantgardistischen "gruppo 63" sehen. Die Literatenvereinigung, zu der in den 1960er-Jahren auch Umberto Eco zählte, wollte tradierte literarische Formen systematisch überschreiten. Der Autor, so die Forderung, sollte komplett zurücktreten, das Werk sich am Objekt orientieren. Die Literatur wurde als Experimentierfeld hochgehalten, Malerba pflegt diese Grundsätze der 1968 auseinandergefallenen Gruppe mit seinen ständig neuen Formen und Erzählungen weiter.

Das Experimentierfeld - er erkundet es unermüdlich. So ließ er etwa auf philosophische Kolumnen ein Kinderbuch folgen, schrieb einen Krimi, später eine höchst erfolgreiche Mittelalterparodie (Il pataffio) und erregte Ende der 90er-Jahre mit einer Politparabel Aufsehen.

Dass Malerba jahrelang eine Werbeagentur geleitet hat, schlägt sich vielleicht noch in der feinen Prägnanz nieder, die sehr melodisch durch diesen überaus klar strukturierten Roman führt, stets bedacht, Passagen nie langweilig werden zu lassen, ohne aber je in eine unterhaltsame Gebrauchssprache zu verfallen.

Mit Römische Gespenster legt Malerba ein ruhiges Werk vor, bei dem man fast meinen möchte, er habe nun ein schattiges Plätzchen auf der Spielwiese seines Schreibens gefunden. Es gibt keine jähen thematischen Sprünge, die Sticheleien, die bei Malerba oft in allzu viele Richtungen ausfielen, sind milder geworden, das Erzählen folgt einem geschlossenen Verlauf und verzichtet, obwohl gewohnt boshaft, auf scharfe moralische Ankreidungen.

So kommt Malerba in diesem Roman auch zu dem gnädigen Fazit, dass sich eine anscheinend objektive Bewertung der Verhältnisse schnell relativiert, wenn die Partner sich die vorhandene Gegenständlichkeit ihrer Beziehung eingestehen, die sich nicht so schnell auflösen, umtauschen lässt.

Genauso wie Gianos idealisierte Stadtplanung letztlich einräumt, dass die radikale Neugestaltung nur dort möglich ist, wo noch nichts gebaut wurde, die bestehenden, traditionellen Städte aber lediglich verbessert, in einzelnen Schritten erneuert werden können. (Isabella Hager/ ALBUM/ DER STANDARD, Printausgabe, 07./08.07.2007)