Palo Cortado Cardenal - das Endprodukt einer großen Solera

José Ángel Dianes

Erläuterungen zum Diagramm:

El Pago de Macharnudo Alto – Sobretablas
Der Most wird in Eichenfässern fermentiert und danach auf 15 Volumsprozent aufgespritet, um die biologische Reife zu beginnen. Nach etwas mehr als einem Jahr entscheidet sich in welche Solera er kommt.

Palo Cortado Viejo CP
Die besten Fässer, die vom Profil von Inocente und Tío Diego abweichen, nähren die letzte Criadera des Viejo CP. Wir haben hier vier Criaderas plus Solera im oxidativen Ausbau. Der Wein wird nur sehr selten für den Export abgefüllt und man geht von einem Durchschnittsalter von ca. 25 Jahren aus.

Fino Inocente
Durchläuft zehn Criaderas und eine Solera, alle unter Flor. Zwei Abfüllungen pro Jahr, eine im Frühjahr, die andere im Herbst. Ein Fino mit einem Durchschnittsalter von zehn Jahren.

Amontillado Tío Diego
Durchläuft acht Stufen unter Flor, von der zehnten bis zur dritten Criadera. Von der dritten auf die zweite Criadera wird der Wein auf 18 Volumsprozent aufgespritet und es beginnt der oxidative Ausbau. Abgefüllt wird einmal pro Jahr. Das Durchschnittsalter wird auf 14 Jahre geschätzt.

Palo Cortado Cardenal VORS
Die Cardenal Solera besteht aus vier Criaderas und einer Solera aus sechs Fässern plus dem Fass NO. Die letzte Criadera, die den jüngsten Wein enthält wird mit der Solera des Palo Cortado Viejo CP aufgefrischt. Ein sehr alter Wein, aller Wahrscheinlichkeit nach um die 50 Jahre.

José Ángel Dianes

Bernstein, bronze, glänzend – wie flüssige Edelsteine. Die Aromen strömen einem entgegen, ohne dass man sich dem Glas nähern muss. Nähert man sich doch, fühlt man sich umgeben von einer unglaublichen Vielfalt an Trockenfrüchten, Gewürzen und feinem Holz – tiefgründig und komplex wie wenige andere Weine. Die geschmackliche Konzentration am Gaumen ist enorm. Ein muskulöser Körper, perfekt gereift und sehr harmonisch. Eine Säure, die fast ins „Versalzene“ geht, zugedeckt durch eine geschmackliche Harmonie, wie man sie nur bei einem sehr altem Palo Cortado findet, mit explodierenden Aromen, deren Nachhall sich in Minuten messen lässt.

Ein Wein, der eine Unmenge an Wörtern zur Beschreibung in Erinnerung ruft, und der sich dennoch einer totalen Beschreibung entzieht. Vor Situationen wie dieser, vor Weinen ähnlichen Kalibers, wacht die Neugier selbst des pragmatischten Hedonisten auf. Woher kommt er? Wie wurde er gemacht? Wer waren die „Macher“? Ein Herantasten an die Kultur hinter und um den Wein, um ihn beim nächsten Mal noch besser genießen und verstehen zu können.

Kultureller Kontext Deshalb der Versuch, den kulturellen Kontext dieser Solera (bzw. der untereinander verbundenen Soleras), die einen der großartigen, traditionellen andalusischen Weine hervorbringt, so weit als möglich zu durchleuchten. Und wie einmal einer der anerkanntesten Sherryexperten, Jesús Barquín, gesagt hat, das Interesse für diese Weine ist keine Leidenschaft, denn Leidenschaften implizieren einen nicht unerheblichen Grad an Subjektivität. Im Gegensatz dazu sind die außergewöhnliche Qualität und einzigartige Identität dieser Weine absolut objektiv. Der Beweis dafür befindet sich vor uns: Der Palo Cortado Cardenal VORS von Valdespino.

Valdespino ist eine der ältesten Bodegas von Jerez, gegründet 1875. Die Ahnenliste geht zurück bis Don Alfonso Valdespino, der an der Seite von König Alfonso X, dem Weisen, während der Rückeroberung von Jerez im Jahre 1264 gekämpft hat. Aus ihren beneidenswerten Soleras geht eine Serie von hervorragenden Weinen, wie Inocente, Tio Diego, Coliseo oder Cardenal, hervor. Eine der traditionellsten Bodegas der D.O. – im Hinblick auf die angewandte Kellertechnik, das klassische Geschmacksprofil und auf ihre durchgehende, konstante Qualität. Eine Institution, gleichzusetzen mit Jerez.

Cardenal war, nach Inocente, die zweite von Valdespino registrierte Marke (am 8. Jänner 1894). Eduardo Ojeda, Önologe und technischer Direktor von Valdespino, erzählt von Briefen von Miguel Valdespino an einen Kunden, in denen dieser, im Bezug auf den Palo Cortado Cardenal, bemerkt, dass der Name von einigen Exporten herrührt, die man Ende des 19. Jahrhunderts an den bekannten Kardinal von Salis – einem Liebhaber dieses Sherry - nach Irland durchführte. Diese wertvolle Quelle spricht somit von einer vor mehr als einem Jahrhundert gegründeten Solera, deren Wein schon damals international geschätzt wurde.

Fino/Amontillado – Palo Cortado

Mit ziemlicher Sicherheit, so Eduardo, wurden die Weine des Pagos Macharnudo Alto damals klassisch nach Lehrbuch ausgebaut. Fermentation im Eichenfass, dann biologischer Ausbau, danach Selektion der Weine einerseits für einen Fino/Amontillado – Inocente – und einen Palo Cortado – Cardenal. Eduardo spricht bewusst von einem Fino/Amontillado, da zu jener Zeit die Finos, aller Wahrscheinlichkeit nach, Weine mit einem längerem Ausbau waren und deren Reife sicherlich oxidativ aufhörte.

Diese ganze Geschichte findet sich in der aktuellen Solerazusammenstellung des Cardenal wieder. Die eigentliche Cardenalsolera, aus der Wein abgefüllt wird, besteht aus sechs Botas plus einem Bota mit dem Namen NO. Zum Abfüllen wird jedem Fass eine kleine Menge entnommen und dann verschnitten, um am Schluss ein homogenes Produkt zu haben. Die Criadera hierfür besteht aus 4 Stufen. Die letzte Criadera wird wiederum aufgefüllt mit der Solera eines ebenfalls außerordentlichen Palo Cortado, dem Palo Cortado Viejo CP.

Calle Ponce

CP sind die Initialen der Calle Ponce, in der sich die alte Bodega befand, die die Solera dieses Weines beherbergte. Die Bodega wurde in den 60iger Jahren von Valdespino gekauft. Hier wurden die Fässer gelagert, die letztlich die Solera des Viejo CP formten. Ein alter Palo Cortado, der bei jeder Probe aufs Neue begeistert, fein und tief im Aroma, voll und saftig am Gaumen. Eine weniger konzentrierte und nicht ganz so tiefgründige Version des Palo Cortado Cardenal, die leider sehr selten abgefüllt wird. Wie beim Cardenal stehen auch hier vier Criaderas dahinter. Total sind es rund 300 Fässer von der Cardenal Solera bis zur jüngsten CP Criadera, die den jüngsten Wein enthält.

Nachfolgend ein kleiner Abstecher zu den Soleras, die den Ursprung, die Geburt, dieser beiden Palo Cortados darstellen.

Ein Ursprung, zwei Linien

Bei Valdespino existieren parallel zwei Linien von Finos/Amontillados mit einem gemeinsamen Ursprung: die Soleras des Fino Inocente und des Amontillados Tío Diego. Der Fino Inocente ist ein Wein der schwer zu übertreffen ist, seit Jahren eine Institution innerhalb der Welt der Finos. Wie eingangs erwähnt, ist Inocente die erste von Valdespino registrierte Marke, das heißt, die Solera ist wahrscheinlich auch vor über einem Jahrhundert angelegt worden. Das Florwachstum dieses Weines stößt an seine natürliche Grenze, mit einem geschätztem Durchschnittsalter von rund zehn Jahren. Ein Wein mit absoluter Finesse, reinrassig, in der Nase sehr punziert, mit viel Flor. Am Gaumen sehr trocken, körperreich und rassig, konzentriert, sehr komplex und lang anhaltend.

Vor der Solera mit 70 Fässern gibt es zehn Stufen mit jeweils wieder 70 Fässern, alle ausgebaut unter Flor. Pro Jahr werden zwei Abfüllungen (dem entsprechend zwei Umzüge) gemacht, jeweils im Frühjahr und im Herbst. Die letzte Criadera wird aufgefrischt mit den Sobretablas des Pagos Macharnudo Alto, die auf traditionelle Weise im Fass vergoren werden und durchschnittlich eineinhalb Jahre unter Flor verbringen, bevor sie ins Criaderasystem eingegliedert werden.

Tío Diego

Diese Sobretabla ist gleichzeitig die Quelle für den Amontillado Tío Diego, einen Amontillado mit ausgesprochener Flornote, mit ebenfalls 10 Criaderas. Gleich wie bei Inocente gibt es auch hier 70 Fässer je Criadera. Von diesen Criaderas sind nicht weniger als die letzten acht unter Flor. Beim Umziehen von der dritten auf die zweite Criadera wird der Wein nochmals aufgespritet, damit die Florhefe abstirbt. Die beiden letzten Criaderas und die Solera reifen danach oxidativ. Ab- und umgefüllt wird einmal pro Jahr, was am Ende ein Durchschnittsalter von rund 14 Jahren ergibt (acht unter biologischer Reife, sechs oxidativ).

Die lange biologische Reife dieses Weines bedingt eine sehr punzierte, frische Nase – im Vergleich zu anderen Amontillados – am Gaumen wirkt er sehr leicht und trocken, noch stark geprägt vom Flor. Ein wenig wie ein alter, „amontilladosierter“ Inocente. Die Marke geht auf die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts zurück, und es ist anzunehmen, dass die Fässer ursprünglich ein Teil der Inocente Solera waren, organoleptisch allerdings mehr in Richtung Amontillado als heute. Diese Soleras befanden sich ebenso in der Calle Ponce.

Damit kehren wir wieder zum Punkt der Geschichte zurück, wo wir die Palo Cortados verlassen haben. Die Fässer dieser beiden Soleras, Inocente und Tío Diego, wurden und werden permanent auf ihr organoleptisches Profil kontrolliert. Sobald eines der Fässer vom gewünschten Profil abweicht – eine Sache, die in den ersten Stufen am Wahrscheinlichsten ist – wird das Fass aufgespritet und reift oxidativ weiter – die letzte Criadera des Viejo PC wird hin und wieder mit diesen Fässern aufgefrischt, so sie dem gewünschten PC Profil entsprechen.

Eine mögliche Geschichte

Am Anfang war Inocente, ein Fino/Amontillado mit einem ausgeprägtem Florcharakter, der wahrscheinlich mit einer gewissen oxidativen Reife aufhörte, nachdem die Florhefe keine Nährstoffe mehr vorfand. Hin und wieder schlugen einige der Fässer der verschiedenen Stufen einen anderen organoleptischen Weg ein oder die Florhefe hatte nach ein paar Jahren einfach zu wenig Kraft. Diese Fässer wurden aufgespritet und es folgten einige Jahre mit oxidativem Ausbau, nach denen man sich schließlich irgendwann entschied, den Wein als Palo Cortado, unter der Marke Cardenal, zu kommerzialisieren. Sie formten so nach und nach die Solera dieses Weines, der damals allerdings nicht so alt war wie heute. Cardenal wurde nicht so häufig abgefüllt wie Inocente, was dazu führte, dass die ausgeschiedenen Fässer diverse Zwischenstufen bildeten und das Alter der Solera langsam anstieg.

Es gab einen Moment, wahrscheinlich am Anfang des 20. Jahrhunderts, an dem man einen Wein, mehr „Fino“, geprägt von der biologischen Reife, suchte und man das Augenmerk mehr auf die Inocente Solera legte, mit dem Ziel einen Wein zu kreieren, der dem heutigen Inocente wohl sehr nahe kommt. Mit allen Criaderas unter Flor, mit einer großen Anzahl an Stufen, um bis ans Limit gehen zu können (flortechnisch betrachtet). Wahrscheinlich war das der Typ Wein, der damals mehr verlangt wurde. Ohne Zweifel wollte man aber auch die alte Klientel halten und installierte deshalb die Tío Diego Solera, mit weniger Umzügen und einem Charakter mehr Richtung Amontillado gehend. Ab diesem Zeitpunkt gab es für die Cardenal Solera zwei Quellen: die Solera Inocente und die Solera Tío Diego.

Dadurch wurden die Zwischenstufen zwischen Cardenal und seinen Ursprüngen erhöht und, zusätzlich bedingt durch die Schere zwischen Nachfrage und Angebot, wie bereits erwähnt auch das Alter. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, als Valdespino die Bodega in der Calle Ponce erwarb, kam der Moment, als die Menge des Weins, und auch dessen Qualität, groß genug war, eine Zwischensolera zu gründen, die man Palo Cortado Viejo CP nannte und die die letzte Criadera des bereits sehr alten und ausgezeichneten Palo Cortado Cardenal nährt.

So schließt sich der Kreis dieser außergewöhnlichen Solera, eines lebendigen Organismus, geboren in den Weingärten von Macharnudo Alto. Ein Kreislauf, der von Menschen mit großem Respekt und Liebe zum Wein und seiner Kultur und mit viel Erfahrung am Leben erhalten wird.

Menschen wie Eduardo Ojeda und Maribel Estévez, die derzeit dafür verantwortlich sind und die uns dieses Wissen in unzähligen Gesprächen und Proben so großzügig vermittelt haben. (frei übersetzt von Klaus Hackl)