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Russlands stellvertretender Ministerpräsident, Dimitri Medwedew, ist Direktor im Gasprom-Aufsichtsrat.

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Zur Abwehr von Terroristen dürfen sich zwei russische Großkonzerne schon bald eigene Armeeeinheiten halten. Dadurch öffne sich „die Büchse der Pandora“, fürchten Kritiker die Übermacht der schwer bewaffneten Privatarmeen.

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Dass Russlands halb staatlicher Gasmonopolist Gasprom vom Kreml als außenpolitische Waffe eingesetzt wird, wurde erstmals und eindrucksvoll im Gasstreit mit der Ukraine vor eineinhalb Jahren offensichtlich. Mit Gasprom würde man in Europa mittlerweile Kinder erschrecken können, befand etwas später das russische Wirtschaftsblatt Wedomosti. Nun sollen Terroristen abgeschreckt werden: Der Konzern darf sich nämlich vermutlich schon bald selbst bewaffnen.

Wie das Unterhaus des russischen Parlaments am Mittwoch beschlossen hat, sollte Gasprom ebenso wie der Öl-pipeline-Monopolist Transneft von den Beschränkungen hinsichtlich der Waffenbenutzung ausgenommen werden, die ansonsten für Privatfirmen gelten. Wird der Beschluss im Oberhaus abgesegnet, ist der Weg zu einer Privatarmee frei.

Private Panzerwagen

Zur Ausrüstung gehören dann Schlagstöcke, Schusswaffen und Panzerfahrzeuge. Zwar dürfen die Einheiten nur zum Schutz der konzerneigenen Infrastruktur eingesetzt werden, da diese Kompanien aber „Staaten im Staat“ und über das ganze Land weg tätig sind, wurde die Größe nicht begrenzt. Die neuen Armeeeinheiten müssen ihre Arbeit lediglich mit dem Innenministerium und dem Geheimdienst FSB koordinieren.

Ausgearbeitet hat die umstrittene Gesetzesinitiative der Konzern selbst – wie es hieß zur Abwehr potentieller Terroristen und zum Schutz von Objekten vor dem Zutritt Unbefugter. Die Kremladministration hatte das Placet gegeben. „Ein paar terroristische Angriffe und eine nachfolgende Umweltkatastrophe würden reichen, um Russland sofort zu einem unzuverlässigen Partner und Energielieferanten zu erklären“, sagte Alexander Gurow, einer der Verfasser des Gesetzes.

Das neue Gesetz öffne eine „Büchse der Pandora“, es mache die Russen zu „Dienern von Gasprom und Transneft“, sagte der Abgeordnete Gennadi Gudkow von der linken kremlnahen Partei „Gerechtes Russland“. Andere Großkonzerne würden folgen, befürchtet Gudkow: „So werden in Russland zahlreiche Unternehmensarmeen entstehen“. Firmen wie Gasprom und Transneft „scheinen der Maxime zu folgen, dass gut für Russland ist, was für sie selbst gut ist“, sagt der Parlamentarier.

Mit ebendiesem Slogan ist gerade Gasprom mit 400.000 Mitarbeitern zu Russlands größtem Konzern aufgestiegen. Mehr als 150.000 Kilometer beträgt das hauseigene Pipelinenetz, das Gas an alle Russen sowie nach Europa liefert. Transneft wiederum gebietet über das gesamte Ölpipelinenetz von 48.000 Kilometern. Als weltweit größter Erdgas- und zweitgrößter Erdölförderer hängt die Wirtschaft des Landes stark an diesen beiden Konzernen.

Staatliches Gewaltmonopol wird aufgesplittet

Aufgesplittert ist hingegen das staatliche Gewaltmonopol. Schon jetzt sind Funktionen des Innenministeriums an private Tochterfirmen gewandert. An privaten Wachfirmen zählt man mittlerweile 20.000, dazu 4000 Sicherheitsdienste von Unternehmen. Die Abwanderung in den Privatsektor hatte nach dem Zerfall der Sowjetunion begonnen: Polizisten und Offiziere aus dem aufgesplitterten KGB bauten eigene Einheiten zum Schutz, aber auch zur Erpressung von Firmen auf. Die Macht der berüchtigten russischen Mafia bestand – und besteht – gerade in dieser unheiligen Allianz ehemaliger Staatsdiener mit Unternehmern krimineller Provenienz. (Eduard Steiner aus Moskau, DER STANDARD, Printausgabe 6.7.2007)