Der Strand von Beèiæi wurde zum schönsten von ganz Europa gekürt, verkündet der Reiseleiter voller Freude am Weg entlang der Küstenstraße. Und Stolz überzieht auch dann sein Gesicht, wenn er anfügt, dass das, um genau zu sein, bereits 1936 war.
Montenegro, das kleinste der Balkanländer (13812 Quadratkilometer) hat eben, das vergisst man gern, eine weit zurückreichende Tradition als Urlaubsdestination. Seine standhafte Besinnung auf friedvolle Formen der Beschäftigung machen sich jetzt bezahlt. Mit kräftigen Investitionen aus Russland, den Vereinigten Emiraten oder auch Irland geht Montenegro besonders seit dem Unabhängigkeitsreferendum 2006 in die Tourismusoffensive.
"Früher haben wir unser Land als "Süddalmatien" verkauft, sagt Branko Kasanegra von der Wirtschaftskammer, heute wollen wir aus Montenegro eine eigene Marke machen und verlassen uns auf unsere "schwarzen Berge" (=monte negro).
Es entstehen Luxushotels und Ferienhaussiedlungen, die der Schönheit der steilen Küstenlandschaft allerdings nicht gerade zuträglich sind. Und so ist auch die Bucht von Beèiæi heute ein von verwechselbaren Hotelanlagen dicht gesäumtes Gebiet.
Es sind märchenhafte Gebäude, Fünfsternekaliber mit Poolagglomeraten und allem Pipapo – und riesigen Glasfronten, die einem, drückt man an ihnen die Nase platt, das Gefühl geben, man befinde sich auf hoher See. Riesige Buffetareale sind gewappnet für den großen Ansturm von Pauschalreisenden, die eine Abwechslung zu Italien oder Kroatien suchen. Schließlich ist die Wasserqualität hier sehr gut; 13 Strände besitzen das Gütesiegel der "blauen Fahne". Und es kann nur gehofft werden, dass die Strandkapazitäten in Zukunft nicht überstrapaziert werden.
Für montenegrinische Autofahrer gilt jetzt auch: anschnallen und Licht am Tag. Und wer glaubt, oben am Gebirgsplateau, in unbesiedelten Landstrichen, wo lediglich Felsen und Löwenmaul die Straßen säumen, der EU-Verkehrsordnung zu entkommen, der irrt. Über die insgesamt 600.000 Einwohner des Landes wacht nämlich die stattliche Anzahl von 10.000 Polizisten. Derzeit sind sie am allermeisten damit beschäftigt, die Küstenstraße trotz der vielen Baustellen passierbar zu halten.
"Auto slep" steht in Verbindung mit einer jeweiligen Handynummer häufig an die Felsen entlang der Gebirgsstraßen gesprayt – sollte doch einmal der Motor hinauf in die fabelhaft zerklüftete Kalksteinlandschaft heiß laufen. Als Belohnung warten im Hinterland die besten Jausenstuben, etwa das Gasthaus Zora im Dorf Njegusi, die erste Adresse für luftgetrockneten Schinken. Der wird allerdings üblicherweise mit Schnaps hinuntergespült (EU-Verkehrsordnung!).
Alkohol soll laut Auskunft eines Montenegriners auch im Spiel gewesen sein, als einst inmitten der Bucht von Perast auf einer nur ein wenig aus dem Wasser ragenden Felsspitze einem Fischer im Dämmerlicht des Mondes die Heilige Marie erschienen ist. Die nicht gerade für ihren Glauben bekannten Montenegriner haben diesen heiligen Wink aber doch aufgegriffen und an dieser geweihten Stelle einen Wallfahrtsort errichtet.
Die Einwohner der vom Schiffsbau dominierten Stadt Perast haben den Felsen mittels rundherum versenkter alter Boote und Steine Schritt für Schritt vergrößert und darauf schließlich eine Kapelle errichtet. Durch regelmäßige Steinschüttungen hat die schiffsförmig gebaute Insel im 19. Jahrhundert das heutige Ausmaß erreicht und bietet seither als Gospa od Skrpelja/Gottesmutter vom Felsen Seefahrern Schutz. Deren Familien haben es ihr mit weiteren Steinschüttungen gedankt. Heute noch findet an jedem 22. Juli in der Abenddämmerung die so genannte Fasinada statt, die traditionelle Schiffsprozession der Peraster Bürger, die auf ihren geschmückten, mit Steinen beladenen Booten singend zur Insel hinausfahren, um für die Gunst Mariens auf See zu bitten.
Das Innere der Kirche motiviert dazu. Schließlich hängen die Wände voller Votivtafeln, die zeigen, wie viele Unglücke bereits abgehalten werden konnte. Die Fresken stammen vom Peraster Maler Tripo Kokolja. Heute verkehren Vaporetti zwischen Festland und Marieninsel.
Viele der Peraster Bürger waren wohlhabend. Sie waren Schiffseigner, Schiffsbauer oder Kapitäne, die sich prächtige Stadthäuser leisten konnten; der Ort besaß einmal fünfzig große Segelschiffe. Dieser architektonische Reichtum an barocken Palästen, Steinbauten mit schönen Balkonen und Hauskapellen macht Perast zu einem der schönsten Küsten-orte an der montenegrinischen Riviera. Heiß konkurrenziert von der zum Weltkulturerbe der Unesco zählenden Altstadt von Kotor, zwei Dutzend Kilometer weiter östlich.
Hier hat sich die fünf Jahrhunderte lange Herrschaft Venedigs in den alten Gemäuern eingeschrieben. Adelspalais mit Renaissance-Loggia, enge Gassen und das nicht nur aus diesem Grund vom Verkehr erfreulicherweise vollkommen verschonte Zentrum vermitteln italienisches Flair.
Am besten genießt man die beschauliche, von mächtigen Mauern gesäumte Innenstadtkulisse vom Korbstuhl eines der vielen Cafés aus und löffelt dabei ein kühlendes Eis (sehr süß). Und wer sich seines Aufenthaltsortes versichern will, der besuche eine der orthodoxen Kirchen. Und "Palaèinke" isst, wer sich nach Vertrautem sehnt. Die köstliche und an vielen Straßenecken angebotene Süßspeise ist nicht das Einzige, was die Österreicher hier hinterlassen haben: die venezianisch-habsburgische Festung ragt weithin sichtbar vom Felsen herab.
So richtig österreichisch wird's dann erst wieder auf der abendlichen Hotelterrasse, auf der ein Discoduo einfühlsam "Das Städtchen Kufstein" singt, ein Ohrwurm, von dem sich allerdings besonders englische Gäste inspiriert fühlen.
Unweit, im Ortskern von Budva unter den Platanen des Green Garden Café, rockt unterdessen die nächste Generation. Studenten, mit Händen in ihren Military-Hosentaschen, schmelzen zu "Light My Fire". Und sie trinken so bunt wie sie singen: Cocktails in allen Farben. (Margarete Affenzeller/Der Standard/Rondo/6.7.2007) Fotos: Affenzeller