Als im April 1992 die Belagerung von Sarajewo beginnt, ist Selja Kameric 15 Jahre alt. Die traumatischen Kriegserlebnisse prägen ihr Leben und Werk. Während der fast vierjährigen Umzingelung Sarajewos kommen 10.615 Menschen ums Leben. Im zweiten Jahr der Belagerung macht Milomir Kovacevic ein Foto in der Ruinenlandschaft: "Schatten eines Mädchens" zeigt die Umrisse von Selja Kameric inmitten einer apokalyptischen Kriegszone. 1993, als dieses Bild entsteht, fällt auch ihr Vater dem mörderischen Nationalismus zum Opfer.

Mit Fotos, Videos, Plakat-Aktionen, Installationen usw. übt die gelernte Grafikdesignerin einerseits kompromisslos Kritik an den politischen Zuständen, andererseits gibt sie sich auch utopischem Eskapismus hin. Westliche Klischees von exjugoslawischen Künstlern bedient sie damit nicht. 2003 erregt ihre Plakat-, Postkarten- und Inseratenkampagne Bosnian Girl Aufsehen. Kameric posiert als Covergirl, auf dessen Oberkörper ein rassistisch-sexistisches Graffito eines Unprofor-Soldaten projiziert ist. (dog / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 4.7.2007)