Abigail Solomon-Godeau: "First came the other, then came the more familiar other."

Foto: STANDARD/ Matthias Cremer
Wien - "Ich bin New Yorkerin, in New York geboren, so wie meine Eltern auch. Das merkt man doch sofort. Oder? Ich fahr nicht Auto und rauche heftig und mag keine Natur - außer politisch und ökologisch betrachtet -, Natur interessiert mich nicht, ich geh auch nicht in die Sonne. Santa Barbara ist mein Exil, noch schlimmer als schon Los Angeles schlimm ist. Meine Studenten haben Handys, Skateboards, sind braun gebrannt und haben fast nichts an." Warum sie nicht zurückgeht? "Aus demselben Grund, warum überall auf der Welt Leute an schrecklichen Plätzen leben - sie haben ihre Jobs dort. Ich krieg nichts in New York, dort ist keine vergleichbare Research University."

Abigail Solomon-Godeau ist eine der führenden zeitgenössischen Kunstkritikerinnen und Kunsthistorikerinnen an der University of California, Santa Barbara. Sie publiziert und lehrt zu Postmoderne, Fotografie und Feminismus, u. a. verfasste sie die erste Monografie über Francesca Woodman, sowie Photography at the Dock, Essays on Photographic History, Institutions, and Practices und Male Trouble, zum Männlichkeitsideal im 19.Jahrhundert. Ihr Buch The Face of Difference: Gender, Race and the Politics of Self-Representation wird demnächst bei Duke University Press erscheinen.

In Wien sprach Solomon-Godeau im Rahmen der Ausstellung Held Together with water - Kunst aus der Sammlung Verbund im MAK über die Feministische Avantgarde der 1970er- und 80er-Jahre, vor allem über die Künstlerinnen Cindy Sherman, Birgit Jürgenssen, Ana Mendieta, Francesca Woodman, Valie Export, Hannah Wilke und Eleanor Antin. Und reagierte auf die Medienreaktionen auf aktuelle feministischen Ausstellungen, auf WACK! Art and the Feminist Revolution im Museum of Contemporary Art in Los Angeles, Global Feminisms: New Directions in Contemporary Art im Brooklyn Museum sowie Role Play: Feminist Art Revisited 1960-1980 in der Galerie Lelong, New York.

Offizielles Begräbnis

Solomon-Godeau unterzieht den tradierten Avantgardebegriff einer kritischen Revision und zeigt zugleich damit den Wandel feministischer Fragestellungen.

"Wenn es eine positive Reaktion in den Medien auf dieses Ausstellungen gibt, dann womöglich deshalb, weil alle annehmen, es handelte sich um das offizielle Begräbnis des Feminismus, er ist jetzt sicher, bloß noch eine historische Frage und kann jetzt ins Museum abgeschoben werden - und in den Kunstmarkt integriert, weil man nie unterschätzen sollte, wie wahrhaft der im Moment ist, so wahrhaft, dass sogar feministische Kunst einen Marktplatz hat."

Zuerst Afrika in den Markt dann, kurz vor China, noch der Feminismus? "Ja, first came the other, then came the more familiar other. Ich geh aber jetzt nicht auf die Straße, um zu jubilieren, dass so viele Künstlerinnen derzeit wiederentdeckt werden, weil mit jeder von ihnen sich die Frage stellt, wie viele untergegangen sind. Ob sich ein neuer heißer Markt für feministische Kunst entwickeln wird, weiß ich nicht. Ich bin Akademiker, und Akademiker kaufen nicht, sie schreiben nur darüber. Ich gehe auch auf keine Auktionen, ich habe keine Ahnung von Preisen, weiß nur in etwa, wer Mengen verdient und wer nicht.

"Birgit Jürgenssen ist so signifikant für mich, sie ist ein Beispiel dafür, was mit Werken von Künstlerinnen in der Kunstgeschichtsschreibung passiert. Es ist erstaunlich, dass ich erst jetzt auf diese Arbeit gestoßen bin, das Werk war international völlig marginalisiert. Vor allem die kleinen Arbeiten - die Schuhzeichnungen - sind wunderbar. Ich bin überhaupt sicher, dass Kunstwerke eher kleiner denn größer sein sollten."

Es ist auch wesentlich zu beachten, unter welchen Rahmenbedingungen es im Moment zu einem Mehr an monografischen Ausstellungen feministischer Künstlerinnen kommt. Wobei feministische Kunst zumindest theoretisch nicht unbedingt von Frauen produziert werden muss, wesentlich ist: "Sie ist von Feminismus bestimmt, und Feminismus ist Politik."

"Als Kunsthistorikerin kann ich meine Studenten immer noch mit der Tatsache erstaunen, dass es kaum große, berühmte Künstlerinnen gibt. Es ist immer noch schwierig: Als das Centre Pompidou letztens Anette Messager gezeigt hat, habe ich eine Journalistin der italienischen Vogue getroffen, die ganz aufgeregt war, weil das Centre damit eine Ausstellung mit Frauen und Kunst macht (,women and art'). Was soll das heißen: ,Frauen und Kunst'?" (Markus Mittringer/ DER STANDARD, Printausgabe, 4.7.2007)