Die "gender_map/judenburg": ein Stadtplan, der die alltäglichen "weiblichen und männlichen" Wege und die Nutzung urbaner Orte zeigt.
Grafik: gender_map/judenburg

Frauen und Männer nutzen urbane Räume in Judenburg nicht in gleicher Art und Weise. Welche Straßen, Plätze, Gebäude und Zonen werden überwiegend von Frauen frequentiert, welche von Männern? Ein virtueller Stadtplan von Judenburg in Form einer Installation am Hauptplatz und der "Gender Walk" geben überraschende Antworten und ungewohnte Einblicke in Mobilitätsverhalten und alltägliche Lebenswelt der BewohnerInnen. Die strikte Teilung urbaner Räume in "männliche" und "weibliche" Lebenswelten als Ausdruck eines Ungleichgewichts zwischen den Geschlechtern – dafür möchten die beiden Projekte sensibilisieren, die von 5. bis 7. Juli im Rahmen von "Liquid Music 2007" in Judenburg stattfinden.

Für die "gender_map/judenburg", ein kartografisches Bild der Stadt, ein Abbild des Mobilitätsverhaltens der Befragten, wurden 259 JudenburgerInnen zu ihren alltäglichen Wegen und frequentierten Orten interviewt. Der Plan weist einzelne Orte, Plätze, Gebäude oder Straßen als "Frauenzonen", andere als "männer-dominierte" Orte aus: "Im Herzen von Judenburg sind überwiegend Frauen unterwegs. Die Wege der Frauen sind vielfältiger und komplexer als jene der Männer. Ihre Ziele sind vermehrt Schulen, Kindergärten, Geschäfte und Einkaufzentren", berichtet die Projektleiterin, Soziologin und Gender-Forscherin Elli Scambor. Ausfallstraßen von und nach Judenburg, Straßen in die Industriezonen, aber auch Gasthäuser, Tennisplätze oder das Schwimmbad werden in der gender_map/judenburg als deutlich männlich dominierte Zonen ausgewiesen. "Männliche Ziele" zu erreichen sei oft nur mit dem Auto möglich.

Auch das Alter der Frauen bestimmt laut gender_map den Aufenthaltsort: Junge Frauen ab 21 finden sich demnach beim Supermarkt, am Spielplatz oder auf den Wegen zu Schulen und Kinderbetreuungseinrichtungen. Judenburgerinnen ab 40 sind gehäuft im Bereich von Kleingeschäften und Boutiquen anzutreffen. Frauen ab 60 am Friedhof oder im Sparkassenpark. Ihre männlichen Altersgenossen gaben besonders häufig den Pensionistenverband als Ziel an.

"Gendered Spaces"

"Öffentliche Räume sind immer auch 'Gendered Spaces'. Ihre Ausrichtung und Ausgestaltung führt zu einer unterschiedlichen Nutzung durch Männer und Frauen", so Elli Scambor. Durch gezielte Analysen würden gesellschaftliche Herrschaftsverhältnisse ablesbar, Ungleichheitsstrukturen in Aneignung und Nutzung öffentlicher Räume erkennbar: "Die Differenz in den alltäglichen Erwerbs- und Lebenswelten von Männern und Frauen wird auch in der gender_map/judenburg deutlich sichtbar: Männer orientieren sich in ihrer Mobilität schwerpunktmäßig an der Erwerbsarbeit; die Lebenswelt vieler Frauen ist von weit komplexeren Arbeits- und Mobilitätsstrukturen bestimmt“, so Elli Scambor. Zur (Teilzeit-)Erwerbsarbeit tritt die Familienarbeit, das Bringen und Abholen der Kinder in Schulen und Kindergarten, Einkaufen, der Besuch von Familienangehörigen, Freunden und Bekannten.

"Gender Spots"

Sichtbar ist die gender_map/judenburg in Form einer Installation am Hauptplatz: ein Stadtplan von Judenburg, der die alltäglichen "weiblichen und männlichen" Wege und die Nutzung urbaner Orte zeigt. An Orten, wo ausgeprägte Unterschiede zu Tage treten, den sogenannten "Gender Spots", wurden, über den Stadtraum verteilt, visuelle Marker angebracht. Dadurch wird eine Begehung der Stadt nach Gesichtspunkten der sozialen Geschlechterdifferenz möglich. Urbane Geschlechterräume rücken ins Bewusstsein der BetrachterIn. Das gender_map-Web-Interface bietet darüber hinaus einen dynamischen, weiter wachsenden Stadtplan: UserInnen können die Projektdatenbank im Internet um ihre eigenen Wege und Orte erweitern und sichtbar machen.

Erlebnis "Gender Walk"

Ein von Elli Scambor geführter Stadtspaziergang macht die gender_map/judenburg auch in Bewegung erfahrbar. Danach haben die TeilnehmerInnen Gelegenheit, ihre Beobachtungen und Erfahrungen auszutauschen und zu reflektieren. Unabhängig von Termin und Moderation ist ein Gender Walk aber auch auf eigene Faust möglich: Dafür stehen InteressentInnen MP3-Player zur Verfügung. Mit ihrer Hilfe kann die Stadt anhand der markierten Gender Spots abgeschritten und erforscht werden.

Der "Gender Walk" wurde im Rahmen der internationalen Lernpartnerschaft REALGEM (Gender Meets Reality) als Methode etabliert, zum ersten Mal am Potsdamerplatz in Berlin durchgeführt und in Barcelona und Graz weiterentwickelt. (red)